Ruf als Reformer erarbeitet

Am 1. September 2018 wurde Heiner Wilmer neuer Bischof von Hildesheim. Der Quereinsteiger aus Rom gilt manchen als neuer Hoffnungsträger in einer krisengeplagten Kirche.

Er pilgert mit Jugendlichen, sucht das Gespräch mit Gläubigen und spricht auch heikle Themen wie Missbrauch und Reformen in der katholischen Kirche in einer Sprache an, die aufhorchen lässt: Im ersten Jahr seiner Amtszeit hat Hildesheims katholischer Bischof Heiner Wilmer schon viel Aufmerksamkeit erregt – in seiner Diözese und darüber hinaus.

(Foto: © Gemeinschaft der Herz-Jesu-Priester)

Wilmer nimmt kein Blatt vor den Mund und benennt Missstände in der Kirche mit deutlichen Worten. Schon bei seiner Amtseinführung am 1. September 2018 im Hildesheimer Mariendom kündigte er an, die Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs zu seinem Thema zu machen. Anfang des Jahres setzte er bei einer Dialogveranstaltung noch einen drauf: „Wir müssen den Binnen-Zirkel der Kirche, das Männerbündische aufbrechen, um gemeinsam das Evangelium zu bezeugen in Glaubwürdigkeit und Wahrhaftigkeit.“

Einem seiner Amtsvorgänger, Josef Homeyer (1929-2010), warf Wilmer im Umgang mit Missbrauchsfällen Versagen vor. Mit seiner vielzitierten Aussage „Der Missbrauch von Macht steckt in der DNA der Kirche“ stieß er unter seinen Amtsbrüdern nicht nur auf Begeisterung. In der aktuellen „Herder Korrespondenz“ verteidigt er den umstrittenen Satz: „Manche haben mir vorgeworfen, ich würde die Kirche kaputtreden. Ich sage aber nur, dass die Kirche auch eine menschliche Institution ist, was sonst?“, schreibt der Bischof.

Seinen Worten ließ Wilmer auch Taten folgen. Zur Untersuchung der Missbrauchsvorwürfe gegen den früheren Hildesheimer Bischof Heinrich Maria Janssen (1907-1988) setzte er eine unabhängige Expertenkommission unter Federführung der ehemaligen niedersächsischen Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Grüne) ein. Die Mitglieder haben Zugang zu allen Akten des Bistums und wollen bis 2020 eine umfassende Studie erstellen.

Wilmer, der nach eigenen Worten „alles außer Langeweile“ hat, präsentiert sich gern offen und volksnah. Aus seiner emsländischen Herkunft macht der trotz seiner 58 Jahre jugendlich wirkende Bischof keinen Hehl. Gerne erzählt er von Treckerfahrten auf dem elterlichen Hof und gibt Kostproben seiner plattdeutschen Muttersprache. Zugleich lässt er in seine Reden ganz selbstverständlich immer wieder Sätze auf Englisch, Italienisch oder Französisch einfließen. So wirkt er sympathisch und bodenständig – und zugleich gebildet und weltoffen. Eine Art, die bei vielen Zuhörern ankommt.

Tatsächlich verfügt Wilmer über viel weltkirchliche Erfahrung: Als 19-Jähriger trat er in den Dehonianer-Orden ein – auch bekannt als Herz-Jesu-Priester – und studierte Theologie, Romanistik und Französische Philosophie in Freiburg, Paris und Rom. Als Lehrer unterrichtete er in der New Yorker Bronx und leitete später das ordenseigene Gymnasium in Handrup im Emsland. 2007 wurde er Provinzial der deutschen Ordensprovinz der Dehonianer, bevor er 2015 als Generaloberer mit weltweiter Verantwortung nach Rom wechselte. In dem Orden lernte er die Prinzipien einer modernen Debatten- und Führungskultur, die er in den Versammlungen der Deutschen Bischofskonferenz mitunter vermisst.

Noch ist offen, welche Rolle Wilmer in der Bischofskonferenz und beim kirchlichen Reformprozess, dem „synodalen Weg“, spielen wird. Er gehört zu einer neuen Generation jüngerer Bischöfe, die auf Veränderungen drängen – auf eine Neuverteilung von Macht, auf ein größeres Mitspracherecht der Gläubigen oder eine stärkere Rolle der Frau. Auf die Frage, ob Frauen zu Priesterinnen geweiht werden sollten, antwortete Wilmer einmal: „Ich habe große Lust, mich auf eine offene Diskussion einzulassen und bin gespannt, auf welche Wege uns der Heilige Geist führen wird.“ Auch beim Zölibat sieht der Ordensmann Reformbedarf, weil viele Priester vereinsamten.

All das werden Themen des „synodalen Wegs“ sein, der im Dezember starten soll. Wilmer erhofft sich davon „eine neue Art und Weise des Denkens in der Kirche“ sowie weltweite Impulse. Die deutsche Kirche sei zwar nicht der „Nabel der Welt“, sagt er. „Aber eine nationale Bischofskonferenz darf durchaus auch mal Anstöße geben, die weltkirchlich von Relevanz sind.“

Michael Althaus (KNA)