Berlin. Judenhasser haben im vergangenen Jahr so viele Straftaten verübt wie nie zuvor seit 2001. Die Polizei registrierte nach Informationen des „Tagesspiegel“ (Donnerstag) 2019 bundesweit 1.839 antisemitische Delikte. Das entspricht mindestens fünf Angriffen pro Tag. Die meisten Straftaten werden demnach Neonazis und anderen Rechten zugeordnet. 2018 hatte die Polizei 1.799 solcher Delikte festgestellt. Die Bilanz basiert demnach auf Antworten der Bundesregierung auf Anfragen der Linken-Bundestagsfraktion, die der Zeitung vorliegen.
Zwei Menschen getötet und mindestens 35 Menschen verletz
Weiter zählte die Polizei 72 antisemitische Gewalttaten gegenüber 69 im Jahr 2018; ein weiterer Höchststand seit 2001, so der „Tagesspiegel“. Dabei seien zwei Menschen getötet und mindestens 35 Menschen verletzt worden.
Da 2001 die Kriterien zur Erfassung von Straftaten rechter, linker, islamistischer und anderer politischer Fanatiker in den Statistiken der Bundesregierung zu politisch motivierter Kriminalität präzisiert und erweitert wurden, sei ein seriöser Vergleich mit Zahlen aus den Jahren vor 2001 kaum möglich, hieß es.
20.856 Straftaten von Neonazis und anderen Rechten
Die Bundesregierung erwähnt in der aktuellen Bilanz zu antisemitischer Kriminalität auch 363 „Propagandadelikte“. Dabei handelt es sich unter anderem um judenfeindliche Schmierereien sowie Pöbeleien in der Öffentlichkeit. Die Polizei ermittelte 2019 dazu 1.019 Tatverdächtige und nahm acht Personen fest.
Bei der rechten Kriminalität ingesamt stellte die Polizei 2019 bundesweit laut vorläufigen Zahlen 20.856 Straftaten von Neonazis und anderen Rechten fest. Für 2018 wies die endgültige Polizeibilanz 20.431 rechte Delikte aus, 2017 waren es 20.520.
Tabubrüche und die sprachliche Enthemmung
„Die neue polizeiliche Kriminalstatistik bestätigt unsere Befürchtungen“, sagte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster. „Die Tabubrüche und die sprachliche Enthemmung, die wir allenthalben erleben und die maßgeblich von der AfD befeuert werden, schlagen sich letztlich auch in Taten nieder.“ Zudem sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. „Viele Betroffene erstatten gar nicht erst Anzeige, weil Ermittlungen häufig eingestellt und nur wenige Täter tatsächlich belangt werden“, beklagte Schuster.
Der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen Antisemitismus, Felix Klein, nannte den Anstieg der Zahlen „schrecklich, aber für mich nicht wirklich überraschend“. Er führe die Zunahme dieser Kriminalität auch auf das erhöhte Anzeigeverhalten zurück. „Hierzu haben wir Opfer und Zeugen antisemitischer Straftaten ausdrücklich ermutigt, denn nur so können Täter ja juristisch belangt werden“, betonte Klein. Die größte Sorge mache ihm allerdings die „deutlich gestiegene Aggressivität, die im Höchststand antisemitischer Gewaltdelikte zum Ausdruck kommt“.