„Moderne Irrtümer der damaligen Zeit“
Vatikanstadt. Papst Pius XII. (1939-1958) plante offenbar eine weitere, bislang unbekannte Enzyklika. Darin wollte er „moderne Irrtümer der damaligen Zeit“ behandeln, sagte der Münsteraner Historiker Matthias Daufratshofer der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Bei Forschungen im Archiv der GlaubenskongregationForschungen im Archiv der Glaubenskongregation fand Daufratshofer nach eigenen Worten bereits „elaborierte Entwürfe“ zu dem geplanten Rundschreiben über „moderne Irrtümer“.
Darin sei es um drei Themenfelder gegangen: moraltheologische Fragen, Autorität und Gehorsam in der Kirche sowie das Verhältnis von Staat und Kirche. Für weitere Aussagen sei es noch zu früh, so der Historiker. Mit der Auswertung und notwendigen Zuordnung der verschiedenen Dokumente müsse er nun warten, da die Vatikan-Archive wegen der Ausbreitung des Coronavirus vorerst geschlossenVatikan-Archive wegen der Ausbreitung des Coronavirus vorerst geschlossen bleiben. Mit einer Rückkehr nach Rom rechnet Daufratshofer nicht vor Ostern.
Vorbereitende Texte zur Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel
Im Archiv des früheren „Heiligen Offiziums“ war der Historiker in der vergangenen Woche auch auf vorbereitende Texte zur Verkündigung des Dogmas von der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel gestoßen. Dabei interessieren Daufratshofer zum einen die inhaltlichen Zuarbeiten, andererseits die Frage: Wie und von wem wird die Verkündigung eines solchen Dogmas, die bislang einzige seit dem Dogma der päpstlichen Unfehlbarkeit von 1870, vorbereitet?
Mit der Verkündigung des Glaubenssatzes, dass Gott die Mutter Jesu nach ihrem Tod mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen habe, legte Pius XII. am 1. November 1950 in der Konstitution „Munificentissimus Deus“ eine bereits jahrhundertealte Glaubensüberzeugung lehramtlich fest.
41 Enzykliken veröffentlicht
Insgesamt veröffentlichte Pius XII. 41 Enzykliken; sein letztes Rundschreiben „Meminisse iuvat“ vom 14. Juli 1958 behandelte das Gebet für die verfolgte Kirche. Zwei Wochen zuvor hatte er eine Enzyklika über den Kommunismus und die Kirche in China veröffentlicht.
Wegen der Corona-Krise hat am Montagabend auch das letzte Archiv des Vatikan bis auf Weiteres seine Pforten geschlossen. Zwei Forscher der Universität Münster konnten bis zuletzt noch das Archiv der Glaubenskongregation nutzen, um sich die erst kürzlich zugänglich gemachten Akten aus dem Pontifikat Pius‘ XII. (1939-1958) anzusehen. Andere Einrichtungen wie das Apostolische Archiv und jene des Staatssekretariats waren bereits am Wochenende geschlossen worden.
„Gerade erst haben wir ein Gefühl für die neuen Bestände bekommen“
Zuletzt habe man die Zahl der Zugänge von knapp 20 auf sieben Personen reduziert und darauf geachtet, dass zwischen den Anwesenden im Lesesaal mindestens ein Stuhl frei blieb, sagte Elisabeth-Marie Richter vom Seminar für Kirchengeschichte der Universität Münster der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Gerade erst haben wir ein Gefühl für die neuen Bestände bekommen“, fügte sie hinzu. Sie bedauere die ungeplante frühere Rückreise nach Deutschland.
Kollegen aus Israel und den USA etwa waren wegen Reisewarnungen für Italien zu der lange erwarteten Archivöffnung gar nicht erst angereist. Allein der US-Historiker David Kertzer bleibt in Rom; er hat derzeit ein Sabbatjahr und deswegen keine Lehrveranstaltungen.
Rückkehr nach Rom wohl erst nach Ostern
Über die Arbeitsbedingungen in den Vatikanarchiven zeigten sich Richter und ihr Kollege Matthias Daufratshofer unterdessen erfreut. Noch fehlende digitale Inventare seien im Lauf der ersten Woche nachgereicht worden, zudem seien die Mitarbeiter sehr hilfsbereit gewesen.
Entsprechend den bisherigen Erlassen der italienischen Regierung bleiben auch die Vatikan-Archive zunächst bis Freitag, 3. April geschlossen. Da anschließend die Karwoche vor Ostern beginnt, rechnen Richter und Daufratshofer mit einer Rückkehr nach Rom erst nach Ostern.