Bischof Genn: Karlsruher Urteil zu Suizidbeihilfe „katastrophal“

Münsters Bischof Felix Genn hat das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Suizidbeihilfe als „katastrophal“ bezeichnet. Dieses entspreche nicht dem christlichen Menschenbild, sagte er am Sonntag in Münster. „Wir können nicht die Autonomie des Menschen gegen das Leben des Menschen ausspielen.“ Das menschliche Leben bedürfe des unbedingten Schutzes vom Anfang bis zum Ende.

Bischof Genn (Foto: Bistum Münster)

Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom Februar, mit der die Karlsruher Richter das 2015 vom Bundestag beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Suizidhilfe für nichtig erklärten. Es gebe ein umfassendes Recht auf selbstbestimmtes Sterben, wenngleich eine behutsame Regulierung der Suizidhilfe möglich sei. Genn äußerte sich bei einem Gottesdienst, der statt der traditionellen „Großen Prozession“ im Dom gefeiert wurde. Diese war wegen der Corona-Pandemie ausgefallen.

Nicht von anderen Nationen und Völkern abschotten

Der Bischof rief auch dazu auf, sich nicht vor anderen Nationen und Völkern abzuschotten. Vielmehr sei es notwendig, sich gegenseitig zu helfen und trotz der eigenen Not die noch viel größere Not von Flüchtlingen und Asylsuchenden nicht zu vergessen. Genn wandte sich gegen völkisches Reden: „Menschen in Not nicht zu helfen, ist nicht christlich“, mahnte er. „Wenn wir diese Haltung einnehmen, verteidigen wir das christliche Abendland nicht, wir schaffen es ab.“

Nach den Worten des Bischof ist das Christentum zwar keine Mehrheitsmeinung mehr. Er sei aber fest davon überzeugt, „dass die Botschaft von Jesus Christus heute relevanter ist denn je“. In der Kirche und ihrer pastoralen und liturgischen Praxis sei vieles durch die Corona-Pandemie „durchgeschüttelt“ worden. Jetzt schon Lehren daraus zu ziehen, gehe ihm zu schnell. Sicher sei aber, „dass uns diese Krise auf Fragen zurückwirft, denen wir uns stellen müssen – in Kirche, Politik und Gesellschaft“.

Vieles stimme in Lebensmittelindustrie nicht

Mit Blick auf die Lebensmittelindustrie sagte Genn, vieles stimme dort nicht. „Es ist nun Zeit, konkret zu handeln: Ich beim Einkaufen, wir beim Konsum, Politik in der Gesetzgebung und Kontrolle, Arbeitgeber an der Menschenwürde und Arbeitsbedingungen, alle an der Solidarität.“

Die 1383 begründete „Große Prozession“ geht auf ein Gelübde von Kirche und Bürgerschaft zurück. Damals gab es in Münster eine Pestkatastrophe mit rund 8.000 Toten und einem Großbrand, der große Teile der Stadt verwüstete. Bedeutenden Zulauf hatte die Prozession in der NS-Zeit, als sie zur Demonstration für den Glauben wurde. Damals nahmen regelmäßig fast 20.000 Menschen teil.

kna