Paderborn. Die Universität Paderborn sucht für eine Studie Zeitzeugen, die als Minderjährige sexuelle Gewalt durch katholische Geistliche erlebt haben oder die von sexuellen Übergriffen Kenntnis hatten. Über die Perspektive der Betroffenen und die Reaktionen von Kirchenleitung und Gemeinden auf Vorwürfe gegen einzelne Priester gäben die schriftlichen Quellen oft nur wenig Auskunft, erklärte die Kirchenhistorikerin Nicole Priesching am Mittwoch in Paderborn. Sie geht im Auftrag des Erzbistums Paderborn der Frage nach, warum in der Nachkriegszeit Vorfälle immer wieder vertuscht wurden.
Das auf drei Jahre angelegte Forschungsprojekt „Missbrauch im Erzbistum Paderborn – Eine kirchenhistorische Einordnung. Die Amtszeiten von Lorenz Jaeger und Johannes Joachim Degenhardt (1941-2002)“ war bereits Mitte Februar gestartet. Priesching und ihre Mitarbeiterin Christine Hartig haben dafür Zugang zu sämtlichen Akten. Aber in den Dokumenten existiere nur geringes Wissen darüber, „wo betroffene Kinder und Jugendliche Hilfe fanden und wo ihnen Unterstützung versagt wurde“, so Hartig. „Auch über viele Beschuldigte, über ihr Vorgehen und über die kirchliche Umgangsweise mit ihnen geben schriftliche Quellen oft nur wenig Auskunft.“
Studie will genaues Bild über die Taten und ihre Hintergründe zeichnen
Zur Beantwortung der Fragen sei nicht allein die Kenntnis von besonders schweren Taten wichtig, so die Wissenschaftlerin. „Vielmehr tragen die Erinnerungen jeder und jedes Einzelnen an sexuelle Gewalt durch Kleriker dazu bei, ein genaues Bild über die Taten und ihre Hintergründe zu zeichnen.“ Betroffene, die selbst kein Interview geben wollten, könnten auch persönliche Dokumente zur Verfügung stellen, die im Zusammenhang mit sexueller Gewalt durch Kleriker entstanden.
Die Wissenschaftlerinnen sichern den teilnehmenden Zeitzeugen einen vertraulichen Umgang mit ihren Auskünften zu. Diese würden nicht an Dritte weitergegeben und anonymisiert aufbereitet. Die Projektbeteiligten arbeiteten unabhängig vom Erzbistum. Ergebnisse würden der Öffentlichkeit nach Ende der Studie in Buchform vorgestellt.
kna
- Betroffene erreichen Christine Hartig von Montag bis Mittwoch unter Tel. (0 52 51) 60 44 32, per Mail an christine.hartig@uni-paderborn.de. und postalisch: Christine Hartig, Universität Paderborn, Institut für Kirchen- und Religionsgeschichte, Warburger Straße 100, 33098 Paderborn.