Frankfurt – Deutschland befindet sich nach den Worten des Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, nicht im Ausnahmezustand. Die Grundrechte besäßen „selbstverständlich auch in der Pandemie“ ihre Gültigkeit, sagte der Jurist Stephan Harbarth in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Samstag).
Zugleich räumte er ein: „Wir sind in einer gesellschaftlich, politisch und rechtlich herausfordernden Situation.“ Die Rechtsordnung greife auch auf „offene Begriffe“ zurück. Wenn die Gefahrenlagen und „die zur Gefahrenabwehr geeigneten Maßnahmen deutlicher erkennbar und in ihren Folgen besser abschätzbar werden, muss der Gesetzgeber aber ab einem Zeitpunkt die Vorgaben präzisieren.“
Harbarth widersprach der Einschätzung, die Gerichte hätten die Maßnahmen der Politik nur abgenickt. Die Entscheidungspraxis sei vielmehr „differenziert“. Der Jurist fügte hinzu: „Unsere Gesellschaft, die in über 70 Jahren Grundgesetz ein ausgeprägtes Freiheitsbewusstsein entwickelt hat, wird darauf achten, dass pandemiebedingt eingeführte Grundrechtsbeschränkungen danach auch wieder entfallen.“
Zu der Debatte um die Abhaltung von Parteitagen sagte der frühere stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende im Bundestag: „Für unsere Demokratie ist die Durchführung eines Parteitags oder einer Demonstration wichtiger als etwa eine Halloween-Party. Nach unserer Verfassung können zentrale Elemente der demokratischen Willensbildung jedenfalls nicht für einen längeren Zeitraum gleichsam stillgelegt werden.“