Köln: Pfarreien und Priester kritisieren Woelki

Im Erzbistum Köln schlagen die Wellen hoch. Pfarrer kritisieren öffentlich den Kardinal und seine Berater. Mindestens acht Gemeinden machen auf ihren Internetseiten ihrem Unmut Luft über die Bistumsleitung. Teile des Kirchenvolks in der größten Diözese Deutschlands sind in Aufruhr.
Kardinal Woelki

Kardinal Rainer Maria Woelki (Foto: © bilder-erzbistum-koeln.de/Reiner Diart)

Im Erzbistum Köln schlagen die Wellen hoch. Pfarrer kritisieren öffentlich den Kardinal und seine Berater. Mindestens acht Gemeinden machen auf ihren Internetseiten ihrem Unmut Luft über die Bistumsleitung. Teile des Kirchenvolks in der größten Diözese Deutschlands sind in Aufruhr. Dabei geht es vor allem um die sich quälend hinziehende Missbrauchsaufarbeitung. Daneben sorgen auch die Pläne für Großpfarreien und der Umgang mit der Katholischen Hochschulgemeinde Köln (KHG), die auf Druck von oben ein Positionspapier mit kirchlichen Reformforderungen von ihrer Homepage nehmen musste, für Ärger.

Pastor fordert Rücktritt Woelkis

„Wir missbilligen aufs Schärfste die Art und Weise, wie man an entscheidenden Stellen des Erzbistums Köln bis heute immer wieder mit Opfern von institutioneller Macht und sexualisierter Gewalt durch Kleriker umgeht“, schreiben etwa Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand und Seelsorgeteam der Kölner Pfarrei Sankt Severin. Und die Gremien von Sankt Margareta in Düsseldorf erklären, Woelki werde seiner Verantwortung als oberster Seelsorger einer großen Diözese nicht gerecht.

Die Pfarrei in Dormagen hat eine Online-Petition gestartet und drängt auf Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens, das eigentlich im vergangenen Jahr vorgestellt werden sollte, wegen „äußerungsrechtlicher“ Probleme aber unter Verschluss gehalten wird. Der dortige Pastor Klaus Koltermann hatte gar den Rücktritt Woelkis gefordert. Ihm drohte das Erzbistum dienstrechtliche Schritte ebenso an wie den Mitarbeitenden der Katholischen Hochschulgemeinde, die in ihrem Positionspapier die kirchliche Sexualmoral anzweifeln. Inzwischen wurde die Androhung disziplinarischer Maßnahmen in beiden Fällen aber wieder fallen gelassen.

Holpriger Slalom-Lauf mit ständig neuen Ausrutschern

In dem Vorgehen gegen Koltermann offenbart sich für den Bonner Stadtdechanten Wolfgang Picken ein unprofessionelles Krisenmanagement. „Wie kann man in dieser aufgeheizten Atmosphäre schriftliche Mahnungen versenden, statt das persönliche Gespräch zu suchen?“, fragt der Geistliche, der sonst mit Woelki am selben konservativ-theologischen Strang zieht. Zudem zeigt er sich verwundert darüber, dass Führungskräfte des Erzbistums nicht von sich aus eigene Fehler im Umgang mit Missbrauchsfällen einräumen und auf Gutachten warten.

Woelkis Versuch, frühere Missbrauchsfälle in seinem Erzbistum transparent aufzuarbeiten, gleicht bislang einem holprigen Slalom-Lauf mit ständig neuen Ausrutschern. Er selbst hatte die Untersuchung zum Umgang der Bistumsverantwortlichen mit Fällen sexualisierter Gewalt Ende 2018 bei der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) in Auftrag gegeben. Nachdem zusätzlich um Rat gefragte Jura-Professoren der WSW-Expertise im Oktober vergangenen Jahres „methodische Mängel“ bescheinigten, hatte der Erzbischof die Zusammenarbeit mit der Kanzlei aufgekündigt.

Rote Karte für Kardinal Woelki

Der Kölner Strafrechtler Björn Gercke soll nun bis März ein neues Gutachten vorlegen. Der Kardinal wehrt sich vehement gegen den Vorwurf, damit Vertuscher schützen zu wollen. „Ich erwarte keine Schonung – im Gegenteil“, betonte er mit Blick auf den neuen Gutachter-Auftrag. Doch viele nehmen ihm dies offenbar nicht mehr ab. Der Unmut wächst, befeuert von immer neuen Enthüllungen in unterschiedlichsten Medien.

Andere Pfarreien und Priester machen Front gegen die geplante Strukturreform. Auch dazu gibt es unter der Überschrift „Rote Karte für Kardinal Woelki“ eine Online-Unterschriftenaktion, initiiert von der Pfarreiengemeinschaft Frechen. Konkret geht es darum, aus den heute 180 Seelsorgebereichen des Erzbistums mit ihren insgesamt rund 500 meist kleineren Pfarreien etwa 50 bis 60 Großpfarreien zu formen.

Gelegenheit verpasst?

Der Meckenheimer Pfarrgemeinderat befürchtet, dass die Kirche vor Ort in den „Mega-Pfarreien“ nur noch eine untergeordnete Rolle spielt. Und wenn das Vermögen in der Großpfarrei aufgehe, werde dies von den Gemeindemitgliedern „als Enteignung“ aufgefasst. Unterdessen prüft eine Arbeitsgruppe um den Kölner Weihbischof Ansgar Puff, ob es bei den selbstständigen Pfarreien bleiben kann.

Eigentlich sollte sich damit am Samstag der Diözesanpastoralrat – das oberste Beratungsgremium Woelkis – befassen. Aber das Thema wurde in den Sommer verschoben, weil es laut Erzbistum noch Zeit braucht. Auch die Idee, sich in der Sitzung über die aktuelle Lage auszusprechen, wurde verworfen. Das wiederum stieß bei der Laien-Vertretung im Erzbistum auf Kritik: Es sei eine Gelegenheit verpasst worden, der Verärgerung über die Pfarreireform und die Aufarbeitung des Missbrauchsskandals breiten Raum zu geben.

kna