Was „Punxsutawney Phil“ und die Jungfrau Maria gemeinsam haben

40 Tage nach Jesu Geburt stellte sich die Heilige Familie im Tempel vor. Der 2. Februar: Ende der Weihnachtszeit und ein zentraler Tag in der Landwirtschaft des Mittelalters. Deren Weisheiten kamen auch in die Neue Welt: Was „Punxsutawney Phil“ und die Jungfrau Maria gemeinsam haben – Deutsche Siedler brachten Murmeltier-Brauch nach Pennsylvania.

Gott könne auf krummen Linien gerade schreiben, so heißt es im Volksmund. Und so zieht sich quer über den Globus und verschlungen durch die Zeiten eine sehr seltsame Verbindung zwischen der Gottesmutter Maria, die dem Kindbett im Stall entstiegen und dem biblischen Kindermord von Bethlehem entkommen ist, bis zu einem nordamerikanischen Nager aus der Familie der Hörnchen und einem Hollywood-Kassenschlager der 90er Jahre.

Mit der „Darstellung im Tempel“ (lat. „Praesentatio Jesu in Templo“) erfüllten Maria und Josef damals die jüdischen Gesetzesvorschriften aus dem Buch Leviticus. Für 40 Tage nach der Geburt eines Jungen galt die Frau demnach als unrein. Als Reinigungsopfer hatte sie dann einem Priester ein Schaf und eine Taube zu übergeben; weniger Wohlhabende wie Maria und Josef brachten zwei Turteltauben dar. Daher hieß das Fest früher auch „Mariä Reinigung“ (lat. „Purificatio Mariae“).

Maria als jungfräuliche Hohepriesterin

Der erstgeborene Sohn wurde damals in Erinnerung an den Auszug Israels aus der ägyptischen Sklaverei als Gottes Eigentum angesehen. Seine Vorstellung im Tempel nahm für Maria theologisch bereits die Rückgabe ihres Sohnes an Gott im Kreuzestod Jesu vorweg; eine alttestamentliche Analogie auch zum Opfer Isaaks durch den Stammvater Abraham. Damit erhielt Maria Anteil an der Eucharistie in jeder Messfeier, wie Papst Johannes Paul II. 2003 in seiner Enzyklika „Ecclesia de Eucharistia“ (Kap. 55f.) ausführte.

Tatsächlich ist es jenes Element, das Maria in frühchristlicher und orthodoxer Tradition zu einer „jungfräulichen Hohepriesterin“ machte – was Papst Pius IX. 1864 in Erinnerung rief und was durch diverse Textquellen und orthodoxe Bilddarstellungen belegt ist. Das Heil, das der greise Simeon im Tempel bei dieser Gelegenheit in dem Säugling Jesus als Messias erkennt und das die Kirche in Simeons Lobgesang „Nunc dimittis“ (evangelisches Tageslied für 2. Februar: „Im Frieden dein, o Herre mein“) verarbeitet hat, wurde später mit einer Licht- und Kerzensymbolik verbunden. Daher wird der Tag auch als „Mariä Lichtmess“ gefeiert.

Die Zahl 40 in der christlichen Liturgie

Schließlich spielt die Zahl 40 sowohl in der christlichen Liturgie wie im Jahreskreis eine wichtige Rolle: 40 Tage verbrachte Jesus in der Wüste und wurde vom Teufel versucht; 40 Tage dauert die Fastenzeit ab Aschermittwoch in Vorbereitung auf das Osterfest. Und so war es früher auch vor Weihnachten: 40 Tage vor Heiligabend, am Fest des heiligen Martin (11. November), war Schlacht- und Pachttag, das Ende des Landwirtschaftsjahres. Bezahlt wurde vielfach in Naturalien – und vor der 40-tägigen Weihnachtsfastenzeit („Martinsquadragese“) noch einmal so kräftig reingehauen wie – heute noch – an Karneval.

Ebenso war der 40. Tag nach Weihnachten eine solche Wegmarke, liturgisch wie landwirtschaftlich. Der 2. Februar, bis zur Liturgiereform der 1960er Jahre das Ende der weihnachtlichen Festzeit, war zugleich der Auftakt zum Ackerjahr. Es ging wieder los! Mit der spürbar zunehmenden Tageslänge an „Mariä Lichtmess“ sind allerlei Erleichterung und Bauernweisheiten verbunden.

Der Dachs wirft Schatten

So hieß es etwa: „Wenn’s an Lichtmess stürmt und schneit, ist der Frühling nicht mehr weit; ist es aber klar und hell, kommt der Lenz noch nicht so schnell.“ Aus Westfalen ist aus dem Jahr 1859 überliefert: „Wenn der Dachs zu Maria Lichtmeßen, mittags zwischen 11 und 12 Uhr seinen Schatten sieht, so muß er noch vier Wochen in seinem Baue bleiben.“

Die vielen deutschsprachigen Einwanderer in Pennsylvania/USA, wo es keine Dachse gibt, brauchten einen ähnlichen Winterschläfer als Protagonisten dieser Bauernregel – und erkoren das tagaktive, leicht zu beobachtende Waldmurmeltier (lat. Marmota monax), auf Englisch Groundhog oder Whistle-Pig („Pfeifschwein“) genannt. Das Fest Mariä Lichtmess wurde so in den USA zum „Groundhog Day“, oder, wie der Tag in dem auf kurpfälzischen Dialekten basierenden Pennsylvania Dutch heißt: „Grundsau-Daag“. Daran, ob die „Grundsau“ ihren Schatten sehen kann, entscheidet sich (vermeintlich) die Länge des Winters.

Und täglich grüßt das Murmeltier

Am weitesten treibt den volksfesthaften Murmeltier-Kult in den USA und Kanada der 6.000-Einwohner-Ort Punxsutawney rund 130 Kilometer von Pittsburgh. 1993 wurde das Städtchen Spielort des Hollywood-Klassikers „Und täglich grüßt das Murmeltier“, wo ein schlecht gelaunter Wetteransager (Bill Murray) so lange in einer Zeitschleife hängt und immer wieder denselben Tag erlebt, bis er ein besserer Mensch geworden ist.

2021 empfängt das Murmeltier „Punxsutawney Phil“ coronabedingt keine touristischen Besucher. Doch wenige Tage nach der Amtseinführung des neuen US-Präsidenten Joe Biden wird die Welt dennoch vom Festkomitee erfahren, ob sie auf einen baldigen Frühling hoffen darf – oder ob der Winter noch lange weitergehen wird.

Von Alexander Brüggemann (KNA)