Essen – Dem Bistum Essen liegen jetzt konkrete Handlungsempfehlungen vor, die sexuellen Missbrauch künftig verhindern sollen. Sie sollen nun priorisiert werden, um im Anschluss mit der Umsetzung beginnen zu können.
In seinen Bemühungen um die Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs in der Kirche ist das Bistum Essen nach eigenen Angaben einen weiteren Schritt vorangekommen. Nach der Auseinandersetzung in einer Vielzahl von Projektgruppen liegen nun konkrete Handlungsempfehlungen auf dem Tisch, die im Ruhrbistum dazu beitragen sollen, den Gefahren von Machtmissbrauch und sexualisierter Gewalt entgegen zu treten.
Umgang mit Machtstrukturen
Die Vorschläge betreffen unter anderem die Personalarbeit, die Lebenssituation der Priester und das Verständnis des Weiheamtes, Prävention und Intervention, den Umgang mit Machtstrukturen und mehr Geschlechtergerechtigkeit. Rund 90 Personen hatten seit Mai 2019 in neun Projekten an diesen Themen gearbeitet, die auf Empfehlungen der bundesweiten wissenschaftlichen MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch beruhen.
Anfang Januar wurden die Ergebnisse Bischof Franz-Josef Overbeck übergeben. Angesichts der Vielzahl der Empfehlungen müssen sie nun zunächst sortiert und priorisiert werden, um anschließend gemeinsam mit dem Bischof einen Fahrplan für die Umsetzung festzulegen. Die Handlungsempfehlungen sind auf der Homepage des Bistums Essen unter dem Stichwort „Kirche prüfen und verändern“ zu finden.
Zusammenhänge verstehen
Außerdem hatte das Bistum Essen im März 2020 das Münchner Institut für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) mit einer sozialwissenschaftlichen Studie beauftragt. Die Forscher sollen klären, welche Strukturen, Verhaltensmuster und Fehler von Verantwortlichen in den vergangenen 60 Jahren seit Gründung des Bistums sexualisierte Gewalt in kirchlichen Einrichtungen begünstigt haben. Ziel der Studie ist es, die tieferen Gründe und Zusammenhänge für den Skandal des sexuellen Missbrauchs zu verstehen, um daraus dann weitere Konsequenzen für die Zukunft abzuleiten. Die Ergebnisse werden im Frühjahr 2022 veröffentlicht.
Nach erstmaligem Bekanntwerden des Ausmaßes sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche im Jahr 2010 wurde im Bistum Essen die Aufarbeitung des Umgangs mit sexueller Gewalt begonnen. Zunächst wurden die Personalakten aller Priester intern überprüft. Dazu wurde im Jahre 2012 die Kölner Anwaltskanzlei axis mit der juristischen Untersuchung sämtlicher Personalakten der noch lebenden Diözesan- und Ordenspriester sowie Diakone beauftragt. Die Studie wurde im November 2017 veröffentlicht, seither liegen alle aktenkundig gewordenen Fälle im Bistum Essen auf dem Tisch: 62 Essener Diözesanpriester wurden beschuldigt bzw. verurteilt. Die Akten aller Beschuldigten wurden anschließend zur Prüfung an die Essener Staatsanwaltschaft weitergegeben. Zugleich wurde mit der Untersuchung der Personalakten auch eine Neuordnung der Personalakten-Führung angeordnet.
Kommission zur Aufarbeitung bilden
Derzeit arbeitet das Ruhrbistum nach eigenen Angaben daran, die Vereinbarungen der Deutschen Bischofskonferenz mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt zu erfüllen. Ziel ist es, im Laufe dieses Jahres eine Aufarbeitungskommission zu bilden, die unter Beteiligung von externen Fachleuten sowie Betroffenen alle Maßnahmen überwacht, die im Bistum Essen sexualisierte Gewalt aufarbeiten und künftig verhindern sollen.
Für die Präventionsarbeit ist mit Dorothé Möllenberg eine hauptberufliche Präventionsbeauftragte verantwortlich. Sie bildet gemeinsam mit dem seit einem Jahr im Bistum Essen tätigen Interventionsbeauftragten Simon Friede einen gemeinsamen Stabsbereich „Prävention und Intervention“, dessen Aufgabe es ist, den Umgang mit sexualisierter Gewalt und deren Aufarbeitung im Bistum Essen zu professionalisieren. Unmittelbare Ansprechpartner für Betroffene sexualisierter Gewalt sind Unabhängige Ansprechpersonen, die nicht Dienst des Bistums stehen.