Köln: Woelki in der Vertrauenskrise

Kardinal Woelki hat viel Kritik auf sich gezogen – nicht nur wegen der schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchs im Erzbistum Köln. Bringt das Gutachten, das Strafrechtler Gercke am Donnerstag vorlegt, eine Wende?
Kardinal Woelki

Kardinal Rainer Maria Woelki (Foto: © bilder-erzbistum-koeln.de/Reiner Diart)

Kardinal Woelki hat viel Kritik auf sich gezogen – nicht nur wegen der schleppenden Aufarbeitung des Missbrauchs im Erzbistum Köln. Bringt das Gutachten, das Strafrechtler Gercke am Donnerstag vorlegt, eine Wende?

Er ist angetreten als schonungsloser Aufklärer von Missbrauchsfällen – und sieht sich nun mit Vertuschungsvorwürfen konfrontiert. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erlebt einen Sturm der Entrüstung – bis hin zu Rücktrittsforderungen und Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft. Kritiker nehmen ihm nicht ab, dass ein erstes Aufarbeitungsgutachten nicht rechtssicher sein soll und deswegen vorerst zurückgezogen werden musste. Große Erwartungen verbindet der Erzbischof mit dem neuen Gutachten, das der Kölner Strafrechtler Björn Gercke am Donnerstag vorstellt. Ob Woelki damit wieder Vertrauen gewinnen kann, bleibt abzuwarten.

Große Hoffnung

Dabei verbanden sich mit dem Erzbischof große Hoffnungen, als er im Herbst 2014 aus Berlin wieder in seine Heimat Köln zurückkehrte, um in die Fußstapfen seines Mentors zu treten. Unter Kardinal Joachim Meisner war Woelki einst Geheimsekretär, Theologenausbilder und Weihbischof. In seinen Berliner Jahren setzte er publikumswirksame Akzente, etwa indem er in den Arbeiterbezirk Wedding zog, Frauen auf Leitungsposten berief oder sich mit Vertretern des Lesben- und Schwulenverbands traf. Seine Kardinalserhebung 2012 feierte er in einer Suppenküche.

Als Woelki 2014 von der Spree an den Rhein wechselte, schien ein Kirchenmann zu kommen, der nach einem Vierteljahrhundert Meisner neue Impulse in der mitgliederstärksten Diözese Deutschlands setzen könnte. Mit einigen Aktionen erregte er Aufmerksamkeit. In der Flüchtlingskrise 2015 erinnerte er mit der 23.000-Glockenschläge-Aktion an die ebenso zahlreichen im Mittelmeer ertrunkenen Migranten. Und an Fronleichnam feierte Woelki die Messe an einem zum Altar umgebauten Flüchtlingsboot. Eine Boulevard-Zeitung titelte: „Der kölsche Franziskus“ – und charakterisierte ihn plakativ mit drei Sätzen: „Ihm hören nicht nur Katholiken zu. – Er liebt und lebt die Bescheidenheit. – Woelki redet klare Worte.“

Woelki tritt auf die Bremse

Doch längst ist dieses Positiv-Image verblasst. Denn kirchenpolitisch folgt Woelki oft der kompromisslosen Linie seines Vorgängers. Zwar meidet er dessen bissige Wortwahl, doch die Protestbewegung Maria 2.0 mit ihrer Forderung nach der Frauenpriesterweihe kritisiert er. Auch dem liberalen Lager im Reformdialog „Synodaler Weg“, das eine andere katholische Sexualmoral, verheiratete Priester und Frauen in Weiheämtern will, tritt er entgegen. Woelki warnt beharrlich davor, das „anvertraute Glaubensgut mutwillig zu verändern“.

Auch ökumenisch tritt der Kardinal auf die Bremse. Während die meisten deutschen Bischöfe dazu bereit sind, dem evangelischen Partner in einer konfessionsverschiedenen Ehe unter bestimmten Voraussetzungen die Kommunion zu reichen, lehnt Woelki dies ab. Beim konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, bei dem angesichts rückläufiger Schülerzahlen im Fach Religion katholische und evangelische Schüler gemeinsam unterrichtet werden, macht das Erzbistum Köln im Gegensatz zu den Nachbarbistümern in NRW nicht mit. Das alles hat dem Erzbischof Kritik eingebracht. Doch erst in den vergangenen Monaten ist die Stimmung gegen ihn eskaliert. Zum einen wegen der Missbrauchsaufarbeitung. Dabei hatte der Erzbischof frühzeitig eine Stabsstelle Intervention gegründet, in der alle Akten einschlägiger Priester zusammengeführt und Fälle aus der Meisner-Zeit neu aufgerollt wurden.

Mangelndes Vertrauen zwischen Kirchenvolk und Bistumsspitze.

Aber den Bruch mit den Anwälten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) und die Beauftragung eines neuen Gutachters konnte er trotz der Einbeziehung teurer PR-Berater nicht überzeugend vermitteln. Zudem schaffte Woelki es nicht, seinen Umgang mit dem des Missbrauchs beschuldigten Düsseldorfer Pfarrer O. glaubwürdig zu erklären. Die Vorwürfe gegen den Geistlichen aus seinem Freundeskreis meldete er nicht nach Rom – und begründete dies mit dessen Demenz. Das andere Aufreger-Thema ist Woelkis Vorhaben, im Erzbistum Köln 50 bis 60 Großpfarreien zu etablieren. Trotz breit angelegter Beratungsformate über die Reform rebelliert die Basis. Auch hier fehlt es an Vertrauen zwischen Kirchenvolk und Bistumsspitze.

Von Andreas Otto (KNA)