In Deutschland werden für kommende Woche weitere „Segensfeiern für Liebende“, insbesondere homosexuelle Paare, vorbereitet. Derweil rätselt man, was zu dem Thema aus dem Vatikan noch zu erwarten ist: versöhnliche Gesten des Papstes oder weitere Abmahnungen?Des Papstes Haltung zu Homosexualität gibt weiter Rätsel auf.
Wurde Franziskus getäuscht?
Derweil erwarten andere eine deutlichere Positionierung des Papstes. Was denkt Franziskus tatsächlich über Homosexualität, gleichgeschlechtliche Partnerschaften und den Ukas seiner Glaubenslehre-Behörde vom 15. März? Laut dieser kann die katholische Kirche sehr wohl einzelne Personen segnen, die homosexuell sind, nicht aber deren „gleichgeschlechtliche Verbindungen“. Gott „segnet nicht die Sünde, und er kann sie nicht segnen“, so die Kongregation.
Verschiedentlich ist zu hören, der Sekretär der Kongregation, Erzbischof Giacomo Morandi, habe den Papst am 28. Januar nur zusammenfassend über das geplante Responsum informiert, nicht aber den kompletten Text vorgelegt. Franziskus sei in Gedanken völlig bei der bevorstehenden Irak-Reise gewesen – die ihm damals etliche ausreden wollten. Zudem habe er Erzbischof Morandi so verstanden, dass die Antwort der Glaubenskongregation nicht komplett veröffentlicht, sondern nur an die Fragesteller geschickt werden sollte.
Papst will sich äußern
Er wolle sich dazu noch einmal äußern, soll Franziskus einem Mitarbeiter gesagt haben. Ob mit Worten oder – wie für den Argentinier typisch – mit Gesten, blieb offen. Als der Papst am Sonntag nach der Erklärung der Glaubensbehörde beim Angelus gegen „theoretische Verurteilungen“ und „Anmaßungen von Gesetzlichkeit oder klerikalen Moralismus“ wetterte, hielten viele dies für eine seiner üblichen Tiraden. Für den Vatikanisten Gerald O’Connell, der Bergoglio viele Jahre kennt, war es eindeutig eine erste Reaktion auf den Text aus dem Hause Ladaria.
Die bald darauf folgende Berufung von Juan Carlos Cruz in die Päpstliche Kinderschutzkommission könnte eine weitere Geste von Franziskus sein, mutmaßen andere. Cruz tritt seit einigen Jahren weltweit für die Rechte von Betroffenen wie auch von Homosexuellen ein. Planen Franziskus oder seine Kongregation für Laien, Familie und Leben im aktuellen „Amoris-laetitia-Jahr für die Familie“ noch etwas? Bisher weitgehend Spekulation. Wie immer es war oder sich verhalten mag: Für viele kommt all das zu spät. Zudem zeigt sich erneut, wie ambivalent der Papst aus Argentinien oft wahrgenommen wird und wie die Zusammenarbeit mit seiner Kurie hapert. Klar ist: Das Responsum vom 15. März ist von Präfekt und Sekretär unterschrieben und damit offiziell.
Anliegen in der Antwort der Glaubenskongregation nicht deutlich geworden
Als Fehler entpuppt sich Franziskus‘ Entschluss, seine Kommunikationsabteilung zum Schweigen verdonnert zu haben, als im Oktober der Film „Francesco“ des russisch-amerikanischen Regisseurs Jewgeni Afinejewski bekannt wurde. Darin erscheint der Papst mit Zitaten „zum Recht Homosexueller auf eine Familie“ und der Forderung nach „zivilen Partnerschaften“. Beide Aussagen entnahm Afinejewski fremdem Interviewmaterial, riss sie aus dem Zusammenhang und bewarb seinen Film anschließend just mit diesen Aussagen.
Aus seiner Zeit in Buenos Aires ist bekannt, dass Jorge Bergoglio mit Homosexuellen im Gespräch war. In Argentinien sprach er sich ebenfalls für zivilrechtliche Partnerschaften aus – um Gewalt und Diskriminierung von Homosexuellen zu mindern. Gleichzeitig unterscheidet er deutlich zwischen zivilen Partnerschaften und dem kirchlichen Ehe-Sakrament zwischen Frau und Mann. Dieses Anliegen sei in der Antwort der Glaubenskongregation nicht deutlich geworden, meinte auch Wiens Erzbischof Christoph Schönborn. Der Kardinal, selbst Mitglied der Kongregation, kritisierte deren Vorgehen; nur wenige Mitarbeiter in Rom seien beteiligt gewesen.
Franzikus scheint unsicher
Persönlich empfindet Franziskus die Katechismus-Aussage, homosexuelle Handlungen seien „in sich nicht in Ordnung“, verstießen gegen die natürliche Ordnung und daher „in keinem Fall zu billigen“, wohl als zu hart. Vielleicht würde er sie gerne ändern. Gleichzeitig scheint er unsicher, was von der Debatte und manchen Kampagnen zu halten ist. In gewisser Weise seien diese Phänomene auch Ausdruck von Krisen- und Übergangszeiten einer Gesellschaft, deutete er einmal etwas unbeholfen bei einer Fliegenden Pressekonferenz an. Angesichts der Spaltungen, zu denen das Thema bei den Anglikanern geführt hat, wünscht Bergoglio womöglich insgeheim, sein Nachfolger möge sich dessen grundsätzlicher annehmen.