Der Klimaschutz, das Ringen um konfessionsübergreifende Liturgien, der sexuelle Missbrauch in der Kirche – all das waren herausragende Themen des Ökumenischen Kirchentags in Frankfurt.
Frankfurt – Wie verloren wirkten sie zu Beginn. Ein Dutzend auf einem Hochhaus-Parkdeck in großen Abständen verteilte Gestalten. Ein paar musizierend und singend, andere mal vorlesend, mal vorbetend. In ihren Texten beschworen sie den Frieden auf Erden und die Bewahrung der Schöpfung. Hinter ihnen die Skyline von Frankfurt am Main. Dieser seltsamste aller Eröffnungs-Gottesdienste in der Geschichte von Kirchen- und Katholikentagen am Feiertag Christi Himmelfahrt schien, obwohl seine schüttere Inszenierung vor allem der Pandemie geschuldet war, beklemmend symbolisch.
Kirchentagstypische Provokation
Statt der Erfahrung einer großen Versammlung von Christen aus ganz Deutschland dominierte die Vereinzelung. Die Teilnehmer saßen übers Land verstreut vor ihren Bildschirmen. Und so konnte sich diesmal das erhebende Gemeinschaftsgefühl erst gar nicht einstellen, das leicht entsteht, wenn Zehntausende gemeinsam das Vaterunser beten oder begeistert davon singen, wie sich Himmel und Erde berühren. Etwas „Kirchentagsfeeling“ versuchten die Mitwirkenden an diesem und den folgenden drei Tagen wenigstens optisch zu vermitteln, indem sie die vertrauten Kirchentagsschals trugen, auf denen das biblische Motto der Veranstaltung („Schaut hin“) zu lesen war. Und auch eine kirchentagstypische Provokation gab es – die kam aber erst kurz vor Schluss.
Zuvor wurde in Dutzenden Veranstaltungen versucht, lebendige Kirchentagsformate in die spröde Welt der Videokonferenzen hinüberzuretten. Es gab Bibelarbeiten, Workshops und große Foren mit prominenten Politikern. Alle drei Aspiranten auf das Kanzleramt waren da, und auch die Amtsinhaberin gab sich die Ehre – wenn auch ohne Kirchentagsschal und in ihrem Berliner Amt vor bundesregierungsblauem Hintergrund sitzend. Merkel wirkte fast enttäuscht darüber, dass es bei ihrem Forum, das dem Klima und der Artenvielfalt gewidmet war, fast nur Konsens unter lauter Klimaschützern gab. Sie, die einst auch bei Kirchentagen heftigen Gegenwind erlebt hat, musste die Mitdiskutanten daran erinnern, dass es draußen im Land auch Menschen gibt, die gegen Windanlagen klagen oder ihre Arbeitsplätze in der Kohleindustrie verteidigen.
Einige wenige Kontroversen beim Ökumenischen Kirchentag
Obwohl an diesem ÖKT weder „Klimaleugner“, noch „Querdenker“, „Rechte Populisten“ oder andere Störenfriede teilnahmen, und obwohl viele Debatten sogar vorproduziert und damit frei von Eskalationsrisiken waren, gab es doch auch einige wenige Kontroversen. Eine davon drehte sich um den Umgang der evangelischen Kirche mit den Betroffenen sexuellen Missbrauchs durch Geistliche. Die EKD hatte kurz vor dem Start des ÖKT ihren „Betroffenenbeirat“ suspendiert. Und so schlugen in der Betroffenen-Szene die Wellen hoch. Beim ÖKT hatten ihnen die Organisatoren erstaunlich wenig Raum gegeben, und eine von ihnen, Katharina Kracht, beklagte sich vehement über die knappe ihr zugestandene Redezeit.
Ein anderes Thema, das zum Kern des Ökumene-Themas gehört, erlebte in Frankfurt eine neue Qualität. Konfessionsübergreifende Abendmahlfeiern gab es nicht, aber einige Christen nahmen an den Liturgien der je anderen Kirche teil, auch an deren heiligstem Kern, den Mahlfeiern. Prominente kirchliche Grenzgänger waren der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, der in einer protestantischen Frankfurter Gemeinde am Abendmahl teilnahm. Sein protestantisches Gegenüber, Kirchentagspräsidentin Bettina Limperg, nahm gemeinsam mit dem Limburger Bischof Georg Bätzing an der Eucharistiefeier im Frankfurter Dom teil. Beide empfingen dort die Kommunion, den Gottesdienst zelebrierte der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz.
Eingang in die Geschichte der Ökumene?
Wenige Tage zuvor hatte Bätzing in einem Interview gesagt, ihm gehe es um „die Frage, wie wir mit der persönlichen Gewissensentscheidung einzelner katholischer oder evangelischer Christen umgehen.“ Er respektiere eine solche Entscheidung und spende die Kommunion, „wenn jemand hinzutritt, der glaubt, was wir Katholiken glauben, und im Glauben an die wirkliche Gegenwart Jesu Christi den Leib des Herrn empfangen möchte.“ Das, was unter diesen Vorzeichen am Samstag im Frankfurter Dom geschehen ist, wird auch in anderen Teilen der katholischen Weltkirche genau beachtet und könnte dazu führen, dass der 3. Ökumenische Kirchentag nicht nur wegen seiner digitalen Debatten in die Geschichte der Kirchentage eingehen wird.