Bonn – Eine Woche nach der Flutkatastrophe in Teilen Deutschlands bleibt die Anteilnahme riesig. Notfallseelsorger berichten, dass der aktuelle Einsatz ihre bisherigen Erfahrungen übersteigt.
So sei im nordrhein-westfälischen Erftstadt noch nicht absehbar, wie lange die Helfer vor Ort sein würden, sagte der Koordinator für Notfallseelsorge im Rhein-Erft-Kreis, Gregor Hergarten, am Mittwoch dem Portal katholisch.de. Momentan sorgten sich weiterhin viele Betroffene um ihre Häuser, ihr Hab und Gut. Oftmals dürften Häuser und Wohnungen weiterhin nicht betreten werden. „Diese Unsicherheit ist für viele Menschen das schlimmste“, so der Diakon.
Kirche als Notgemeinschaft gefragt
Die evangelische Regionalbischöfin Petra Bahr sieht in dieser Situation die Kirche als Notgemeinschaft gefragt. „Hier muss ein Ort sein für das Erzählen, das stockende, hektische, verzweifelte oder tieftraurige Erinnern der Bilder und Erlebnisse, schreibt sie in der Zeit-Beilage Christ & Welt (Donnerstag). Im Angesicht der Katastrophe sei es Auftrag der Kirche, diesen Raum zu bieten.
Die Evangelische Kirche im Rheinland kündigte ein Glockengeläut für Freitag um 18 Uhr an. Gemeinden seien aufgerufen, an diesem Abend Andachten für die Flutopfer zu feiern, hieß es. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau schloss sich dem Aufruf an. Auch wurden den Angaben zufolge ein digitaler Klageraum (#unwetterklage) und eine Hilfe-Börse (#kirchehilft) eingerichtet.
Vier Millionen Euro Soforthilfe
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Diakonie stellen vier Millionen Euro für die Betroffenen der Flutkatastrophe als Soforthilfe bereit. Nach den Worten des Leiters der Diakonie Katastrophenhilfe, Martin Keßler, sollen zunächst unbürokratisch finanzielle Hilfen ausgezahlt werden, „damit die Menschen die größte Not der kommenden Tage überstehen.“ Das Land Rheinland-Pfalz richtete eine neue Online-Plattform „Fluthilfe“ ein, die Hilfsangebote und Hilfesuchende zusammenführen will.
Zudem mehren sich Appelle, den Klimaschutz ernst zu nehmen. Verheerende Wetterereignisse habe es immer gegeben, „aber die Frequenz, ihre Extreme, ihre Menschenfeindlichkeit, nimmt dramatisch zu“, schreibt Bischöfin Bahr. Insofern gehe es bei der Rede vom Erhalt der Schöpfung nicht um „kitschige Naturlyrik oder die Beschwörung einer Welt ohne Technik und Kultur“, sondern darum, die existenzielle Dimension der Welt in den Blick zu nehmen.
„Klimawandel, das war immer woanders“
Die Gesellschaft in Deutschland habe bislang zu stark mit einer Sicherheit gerechnet, die es künftig nicht mehr gebe, sagte der Autor Toralf Staud der Süddeutschen Zeitung: „Klimawandel, das war immer woanders.“ Das müsse sich ändern. „Wenn bei uns eine Sturmwarnung kommt, geht man raus und holt die Wäsche von der Leine. In anderen Ländern geht man in den Bunker, weil man weiß: Sturm ist gefährlich.“ Die Warnungen vor den Starkregenfällen, die zu der Flutkatastrophe führten, seien vielfach nicht ernstgenommen worden. Er rechne damit, dass das Bewusstsein für die Naturgewalten hierzulande „erst schmerzlich wachsen“ werde, so Staud.