Freiburg – Der Deutsche Caritasverband hat mit einem Festakt und einer Online-Tagung an den Beginn seiner humanitären Auslandshilfe vor 100 Jahren erinnert. 1921 initiierte die Caritas erstmals eine Hilfsaktion für notleidendende Menschen außerhalb Deutschlands: Unter dem Leitwort „Brüder in Not“ wurden im Kampf gegen eine Hungersnot Lebensmittel und Medikamente in das damalige Sowjetrussland geschickt. „Dass 100 Jahre später weltweit täglich noch immer 12.000 Menschen verhungern müssen, ist schockierend“, sagte Caritas-Präsident Peter Neher am Freitag in Freiburg.
Er sprach von steigenden Schwierigkeiten für die humanitäre Hilfe. „Insbesondere die Corona-Pandemie und der Klimawandel führen dazu, dass weltweit immer mehr Menschen unverschuldet in Not geraten. Besonders zynisch ist dabei, dass der Teil der Menschheit, der am wenigsten zur Erderwärmung beiträgt, am stärksten unter den Folgen des Klimawandels leidet“, so Neher.
Unwetterkatastrophen verschärfen politische Konflikte
Der Leiter der Hilfsorganisation Caritas international, Oliver Müller, sagte bei der Online-Tagung in der Katholischen Akademie Freiburg, Klimawandel und Unwetterkatastrophen verschärften oft politische Konflikte. Wenn etwa Dürren oder Überschwemmungen Ernten vernichteten, nutzbare Flächen abnähmen oder Wasserquellen versiegten, seien Konflikte vorprogrammiert, so Müller. „Im Kampf um Ressourcen haben es Extremismus und Gewalt leichter.“
Sechs der zehn größten UN-Friedenseinsätze 2020 hätten Länder betroffen, die dem Klimawandel am stärksten ausgesetzt sind. Die Terrororganisation Al Kaida rekrutiere beispielsweise in der afrikanischen Sahelzone gezielt junge Menschen, die auch durch Extremwetter und Klimawandel in Existenznöte geraten sind. Nach Angaben der Caritas waren laut jüngsten Schätzungen 2019 weltweit 97,6 Millionen Menschen von Katastrophen infolge von Extremwetterereignissen betroffen. Die Zahl solcher jährlich registrierter Katastrophen habe sich in den vergangenen 20 Jahren verdoppelt.
Große Herausforderungen für Not- und Katastrophenhilfe
Müller betonte, diese komplexen Zusammenhänge und Krisen stellten die Not- und Katastrophenhilfe vor große Herausforderungen. Auch gehe es heute verstärkt um die langfristige Wirksamkeit von Hilfen. „Im Falle einer Hungersnot gab es Zeiten, in denen wir darauf mit der Verteilung von Lebensmitteln wie Reis reagiert haben“, so Müller. „Die Frage, an der wir uns heute messen lassen, lautet: Haben wir den Hunger in der Region dauerhaft besiegt? Humanitäre Hilfe darf sich nicht darin erschöpfen, Leid zu mindern und Symptome abzuschwächen.“
Neher erinnerte auch an den vor 100 Jahren geborenen, früheren Caritas-Präsidenten Georg Hüssler (1921-2013). Dieser habe am Ausbau der internationalen Caritas-Hilfsarbeit einen wichtigen Anteil gehabt. So habe Hüssler ab den 1960er Jahren Hilfen in Algerien, im der nigerianischen Bürgerkrieg oder in Nordvietnam angestoßen. „Dabei begegnete er den Menschen immer auf Augenhöhe“, so Neher. Dies gelte bis heute als Grundsatz der Caritas-Arbeit. „Denn nur so ist Dialog, Versöhnung und Partnerschaft möglich.“