Der Augsburger Kaufmann Jakob Fugger ließ vor einem halben Jahrtausend Häuser für arme Menschen bauen. Die speziellen Aufnahmebedingungen gelten bis heute. Erfüllt hat sie auch schon ein Mann mit sehr berühmtem Namen.
Der Augsburger Kaufmann Jakob Fugger ließ vor einem halben Jahrtausend Häuser für arme Menschen bauen. Die speziellen Aufnahmebedingungen gelten bis heute. Erfüllt hat sie auch schon ein Mann mit sehr berühmtem Namen.
Augsburg – Stellen Sie sich vor, Sie müssten täglich drei Gebete für Ihren Vermieter sprechen. Und um spät ins Haus kommen zu dürfen, würde jedes Mal eine Abgabe fällig. Klingt nicht nach Traumwohnung? In Augsburg sehen das viele Menschen anders. Die Warteliste für die Fuggerei ist lang – Bewerber stehen teils mehrere Jahre darauf. Und das, obwohl sie später als Bewohner für den Einlass nach 22 Uhr 50 Cent und nach Mitternacht gar einen Euro abdrücken müssen. Und jeden Tag dreimal bei Gott ums Seelenheil der Stifterfamilie zu bitten, das ist zudem ihre Pflicht als Katholiken (nur solche dürfen einziehen). Dafür beträgt die Jahreskaltmiete aber auch bloß 88 Cent.
Am 23. August 1521 unterzeichnete Jakob Fugger den Stiftungsbrief
All das gilt seit nunmehr 500 Jahren. Am 23. August 1521 unterzeichnete der Augsburger Kaufmann Jakob Fugger („der Reiche“, 1459-1525) einen Stiftungsbrief, in dem unter anderem die Gründung der Fuggerei festgehalten wurde: einer Reihenhaussiedlung für arme, aber ehrbare (nicht bettelnde) Menschen – gedacht als Zwischenstation, um wieder auf die Beine zu kommen, also als Hilfe zur Selbsthilfe. Die Einrichtung im Zentrum der Stadt erfüllt seither ununterbrochen ihren Stiftungszweck – und gilt damit als die älteste Sozialsiedlung der Erde.
Wer sie betritt, steht wie in einer Oase. Draußen röhren die Autos, rumpelt die Tram und krakeelen Leute ohne Rücksicht auf fremde Ohren. In der Fuggerei indes, umfriedet von hohen Mauern, plätschert sanft ein Brunnen vor sich hin, Amseln und Meisen zwitschern in den zahlreichen Beeten und Bäumen, und das oft lauter als die Menschen sich hier unterhalten. Vielleicht liegt’s an den langen, weinberankten Häuserzeilen, deren Ocker-Anstrich Ruhe und Behagen ausstrahlt. Vielleicht liegt’s auch daran, dass man als Besucher der Fuggerei ständig auf Gratwanderung ist.
Denn natürlich will und soll man sich hier ausgiebig umschauen, in dieser an Attraktionen so reichen Anlage: Neben der auf den ersten Blick ersichtlichen Idyllkombination aus heimelig-historischen Fassaden und großzügigen Grünflächen bietet die Fuggerei zum Beispiel auch noch eine Kirche, ein Restaurant und drei Museen, davon eins in einem Bunker. Gleichzeitig ist die Fuggerei für rund 150 Menschen das Zuhause. Ein Zuhause, das tagein, tagaus von Touristen besucht wird. Jedes Jahr kommen um die 220.000.
Unterschiedliche Ansichten über Motiv
Sie erfahren dann auch, dass dort einmal jemand mit einem prominenten Namen heimisch war: Franz Mozart starb 1694 in der Siedlung; er war Maurermeister und der Urgroßvater des Komponisten Wolfgang Amadeus. Warum er in der Fuggerei lebte, ist Sprecherin Astrid Gabler zufolge unklar. „Zum einen gibt es die Theorie, dass Franz Mozart als Stiftungsbaumeister in der Fuggerei lebte, um dort sämtliche Arbeiten zu verrichten. Der wahrscheinlichere Grund ist jedoch, dass er eine eher schwache Konstitution oder eine Krankheit hatte.“
Unterschiedliche Angaben gibt es auch zu Jakob Fuggers Siedlungsbau-Motiv. Das Buch „Die Fuggerei. Familie, Stiftung und Zuhause seit 1521“ berichtet, er habe sich dadurch, dass die Bewohner fleißig für seine Seele beten sollten, einen raschen Ausweg aus dem Fegefeuer sichern wollen. Vor dem mag Fugger sich gefürchtet haben, da in der Bibel vom Zinsverbot die Rede ist – er aber entsprechende Geschäfte machte. Überdies hält in der Fuggerei eine Inschrift fest: „Zum Nutzen unserer Stadt“ sei die Anlage gestiftet. Und aus Dankbarkeit für „den überaus großen Reichtum, den uns Gott geschenkt hat“ sowie „zum Vorbild“ in Sachen „Frömmigkeit und Freigebigkeit“.
Motiv hin, Motiv her – in Augsburg ist ab dem 23. August eine Festwoche zum 500. Fuggerei-Geburtstag angesetzt, unter anderem mit einem Festgottesdienst mit dem katholischen Bischof Bertram Meier. Danach soll es monatlich weitere Veranstaltungen bis zum Sommer 2022 geben. Geplant sei ein Diskurs über zentrale gesellschaftliche Herausforderungen im Rahmen einer Initiative „Next 500“, kündigt Fuggerei-Sprecherin Gabler an. Thematisiert werden solle etwa, „wie eine Fuggerei der Zukunft aussehen müsste, um sie als Grundprinzip auf andere Länder zu übertragen“.