Die Hilfsorganisationen in Afghanistan sehen sich wegen wachsender Versorgungsprobleme und dem nahenden Winter extrem unter Druck.
Passau – Die Hilfsorganisationen in Afghanistan sehen sich wegen wachsender Versorgungsprobleme und dem nahenden Winter extrem unter Druck. „Der Zeitdruck ist immens“, sagte der Leiter der katholischen Hilfsorganisation Caritas International, Oliver Müller, im Interview der „Passauer Neuen Presse“ (Online Donnerstag). Schon jetzt hungerten 14 Millionen Menschen in Afghanistan. „Das Land ist eines der ärmsten der Welt, und die Versorgungslage ist aktuell in 27 von 34 Provinzen höchst angespannt“, sagte Müller. Insbesondere bei Nahrungsmitteln sei die Lage Besorgnis erregend. Deshalb sei zu begrüßen, dass bei der jüngsten UN-Geberkonferenz für Afghanistan rund eine Milliarde Euro zusammenkam.
Diese Hilfszusagen geben der afghanischen Bevölkerung nach Worten Müllers das Signal, „dass sie nicht vergessen wird und nicht für die Regierung, die sie sich ja nicht ausgesucht hat, bestraft wird“. „Man hilft ja nicht den Taliban, sondern man hilft den Menschen“, erklärte der Chef von Caritas International, das seit drei Jahrzehnten in Afghanistan aktiv ist.
Aufgabe der Politik sei es nun, diese Hilfszusagen mit Sicherheitsgarantien durch die Taliban zu verbinden, „damit die Hilfen über unabhängige und neutrale Helfer auch ankommen“, so Müller. Nach seinen Worten würden Caritas International-Mitarbeiter, die nach der Machtübernahme der Taliban ausgeflogen wurden, wieder nach Afghanistan gehen, wenn sie dort sicher seien. Man kehre zurück, „sobald wir glaubhafte Garantien von den Taliban bekommen für unsere Arbeit vor Ort“.
Müller berichtete, dass lokale Partnerorganisationen, die in der Gesundheitsfürsorge arbeiteten, von den Taliban besucht und ermutigt worden seien, weiterzuarbeiten. Es sei zwar nicht möglich, daraus Schlüsse auf die Gesamtsituation zu ziehen, aber „wir nehmen wahr, dass von hoher politischer Ebene der Taliban ein großes Interesse an der Fortführung der humanitären Hilfe besteht“. Für die Organisationen vor Ort sei es schwierig, die finanziellen Mittel für die Hilfen zu bekommen, so der Caritas-Experte. „Ein riesiger Hemmschuh ist, dass das Bankensystem praktisch kollabiert ist. Damit ist es für alle in dem Land schwer, an Geld zu kommen – auch um Hilfsgüter einzukaufen und zu bezahlen“, sagte Müller.