Papst-Entschuldigung bei Mexikanern sorgt für Unmut in Spanien

Mit einem erneuten Schuldeingeständnis für Fehler der Kirche in der Kolonialzeit hat Papst Franziskus die mexikanische Regierung besänftigt – aber dafür Spanien gegen sich aufgebracht.
Vatikanstadt – Eine öffentliche Entschuldigung sollte es geben, unbedingt - vom Papst und von der spanischen Krone. So jedenfalls hatte es sich der linksgerichtete mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador vorgestellt. Anlass für seine Forderung: das Gedenkjahr 2021, in dem Mexiko auf den Beginn der spanischen Kolonisation (1521) und den erfolgreichen Unabhängigkeitskrieg (1821) zurückblickt.

Papst Franziskus –Archivfoto: © Palinchak | Dreamstime.com

Eine öffentliche Entschuldigung sollte es geben, unbedingt – vom Papst und von der spanischen Krone. So jedenfalls hatte es sich der linksgerichtete mexikanische Präsident Andres Manuel Lopez Obrador vorgestellt. Anlass für seine Forderung: das Gedenkjahr 2021, in dem Mexiko auf den Beginn der spanischen Kolonisation (1521) und den erfolgreichen Unabhängigkeitskrieg (1821) zurückblickt. Die „abscheulichen Gräueltaten“ der Vergangenheit verlangten nach einem „Akt der Demut und gleichzeitig der Größe“, so die Argumentation von Lopez Obrador.

Papst übernimmt Verantwortung für „sehr schmerzhafte Fehler“

Seit Anfang 2019 ließ er nichts unversucht, um sein Ansinnen durchzusetzen. 2021 könne ein Jahr der „historischen Aussöhnung“ werden, schrieb er in Briefen an König Felipe VI. und Franziskus. Die Verbrechen der Konquistadoren an den indigenen Völkern – nicht selten begangen im Namen der Kirche – machten dies notwendig. Um der schriftlichen Aufforderung Nachdruck zu verleihen, schickte das Staatsoberhaupt seine wichtigste Vertraute in den Vatikan: Ehefrau Beatriz Gutierrez Müller, die Primera Dama Mexikos. Am Ende zahlte sich die Hartnäckigkeit nur bedingt aus. Nach langem Zögern verschickte der Papst jüngst ein vielbeachtetes Schreiben an die Mexikanische Bischofskonferenz.

Darin übernahm das Kirchenoberhaupt Verantwortung für „sehr schmerzhafte Fehler“ aus der Kolonialzeit. Ein Rückblick auf diese Epoche müsse deshalb von einem „Prozess der Reinigung des Gedächtnisses“ begleitet werden. Es sei angebracht, um Vergebung für „persönliche und soziale Sünden“ zu bitten. In Spanien kamen die Worte gar nicht gut an. Die Zeitung „El Mundo“ titelte: „Der Papst lässt sich auf das Spiel von Lopez Obrador“ ein. Dabei betreibe dieser politisch motivierten Geschichtsrevisionismus. Die ebenso einflussreiche wie telegene Madrider Regionalpräsidentin Isabel Diaz Ayuso reagierte ebenfalls irritiert und bezeichnete die päpstlichen Einlassungen als „überraschend“. Schließlich habe Spanien Amerika nicht nur den Katholizismus, sondern Sprache, Zivilisation und Freiheit gebracht.

Konservative Politikerin kritisiert vermeintlichen „Indigenismus“ in Lateinamerika

Die konservative Politikerin ging noch einen Schritt weiter und kritisierte einen vermeintlichen „Indigenismus“ in Lateinamerika, der sich zusehends zu einem „neuen Kommunismus“ entwickle. Dass der Papst sich daran beteilige, beobachte sie mit Befremden. Auch die sozialistische Regierung Spaniens wies Forderungen Mexikos nach einer Entschuldigung „mit aller Entschiedenheit“ zurück. Was seinerzeit geschehen sei, könne nicht nach modernen Maßstäben beurteilt werden, hieß es in einer Antwort. Tatsächlich ist der heutige Blick auf die Geschehnisse von damals in vielerlei Hinsicht ambivalent. Die Konquistadoren krempelten die Verhältnisse radikal um, etablierten ihre eigene Kultur, Sprache und Religion.

1521 eroberten sie die auf dem Gebiet des heutigen Mexiko liegende Azteken-Hauptstadt Tenochtitlan. Aus Sicht der Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt, Claudia Sheinbaum, „der Startschuss für ein Zeitalter der Epidemien, des Missbrauchs und für 300 Jahre Kolonialherrschaft“. So einfach sollte man es sich nicht machen. Die spanischen Glücksritter, befehligt von einem gewissen Hernan Cortes, verfolgten eine klar umrissene Mission: möglichst viel Gold zusammenraffen und die „wilden Indios“ zum katholischen Glauben führen. Dass es dabei zu zahllosen Verbrechen kam, ist unstrittig. Aber der Sieg wäre niemals möglich gewesen ohne die tatkräftige Mithilfe verbündeter indigener Stämme.

Ureinwohner sahen Spanier teilweise auch als Befreier

Die von den Azteken unterjochten Völker litten unter einem ausbeuterischen Tributsystem. Aufstände ließ König Montezuma II. blutig niederschlagen. Die berüchtigten Menschenopfer bei religiösen Zeremonien in Tenochtitlan, da sind sich Forscher weitgehend einig, hat es wirklich gegeben. Die steil ansteigenden Pyramidenstufen des Templo Mayor sollen vom getrockneten Blut der Opfer schwarz verfärbt gewesen sein. Nicht wenige Ureinwohner sahen daher in den Spaniern eher Befreier als Eroberer. Doch für derlei Differenzierung ist in der aktuellen Auseinandersetzung meist kein Platz.

Das bekommt Franziskus nun zu spüren. Zwar ist es ihm gelungen, die mexikanische Regierung zu besänftigen, dafür hat er die Spanier gegen sich aufgebracht. Das erscheint vor allem deshalb absurd, weil er nichts anderes getan hat als seine Vorgänger. Bereits Johannes Paul II. bat die Völker Amerikas bei einem Besuch in Santo Domingo am 12. Oktober um Vergebung für erlittenes Unrecht. Benedikt XVI. sprach 2007 von „Schatten“ der Evangelisierung. Die dürften aber nicht daran hindern, „voll Dankbarkeit das wunderbare Werk wahrzunehmen, das im Lauf dieser Jahrhunderte von der göttlichen Gnade unter diesen Völkern vollbracht wurde“. Trotz all solcher Stimmen lässt die vom mexikanischen Präsidenten angestrebte „historische Aussöhnung“ leider weiter auf sich warten.

Von Alexander Pitz (KNA)