Nach den am Dienstagabend bekanntgewordenen Beschlüssen von Bund und Ländern im Kampf gegen die Corona-Pandemie geht die Debatte über den künftigen Kurs beim Impfen weiter.
Berlin – Nach den am Dienstagabend bekanntgewordenen Beschlüssen von Bund und Ländern im Kampf gegen die Corona-Pandemie geht die Debatte über den künftigen Kurs beim Impfen weiter. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sprach sich im Anschluss an die Beratungen erneut für eine allgemeine Impfpflicht aus. Diese solle im kommenden Jahr zügig auf den Weg gebracht werden.
Rückendeckung erhielt Scholz unter anderen von Ärztepräsident Klaus Reinhardt. „Wir hätten alle lieber auf eine allgemeine Impfpflicht verzichtet. Mittlerweile sehen wir aber, dass sie das einzige Mittel ist, um aus der Lockdown-Endlosschleife herauszukommen“, sagte Reinhardt der „Rheinischen Post“ (Mittwoch). „Wichtig ist, wir sprechen von einer Impfpflicht, nicht von einem Impfzwang. Niemand darf zwangsgeimpft werden. Wer der Impfpflicht nicht nachkommt, muss aber mit spürbaren Restriktionen bei der Teilnahme am öffentlichen und gewerblichen Leben rechnen“, so der Ärztepräsident.
Der Vorstandsvorsitzende der Deutsche Krankenhausgesellschaft, Gerald Gaß, forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch) die Politik parteiübergreifend auf, „die Debatte um die allgemeine Impfpflicht nicht auf die lange Bank zu schieben, sondern kurzfristig hier eine Entscheidung zu treffen“. Gaß betonte: „Wir brauchen Klarheit.“ Notwendig seien ein hohes Impftempo und das Schließen der Impflücke.
Der Deutsche Ethikrat empfiehlt unterdessen eine Ausweitung der gesetzlichen Impfpflicht. Diese müsse allerdings von einer Reihe von Maßnahmen flankiert werden, heißt es in einer am Mittwoch vorgelegten Empfehlung. So müsse es eine flächendeckende Infrastruktur mit niedrigschwelligen Impfangeboten und ausreichend Impfstoff geben. Soweit möglich solle der Impfstoff frei gewählt werden können. Die Durchsetzung der Impfpflicht unter Anwendung von körperlicher Gewalt („Zwangsimpfung“) müsse ausgeschlossen werden.
Der Ethikrat schlägt zudem die Einrichtung eines datensicheren nationalen Impfregisters sowie direkte Einladungen für eine Impfung vor. Der Bundestag hatte vor rund zehn Tagen eine einrichtungsbezogene Impfpflicht beschlossen, die etwa für Beschäftigte in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen gilt.
Der Ethikrat begründet seine Entscheidung damit, dass hohe Impfquoten entscheidend seien, um in eine kontrollierte endemische Situation zu kommen. Eine Ausweitung sei nur zu rechtfertigen, wenn sie gravierende negative Folgen möglicher künftiger Pandemiewellen wie eine hohe Sterblichkeit, langfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen signifikanter Teile der Bevölkerung oder einen drohenden Kollaps des Gesundheitssystems abschwächen oder verhindern könne. Bei den 20 Ratsmitgliedern gab es vier Gegenstimmen zu der Ad-hoc-Empfehlung.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz zeigte sich skeptisch. Die Impfpflicht müsse vom Ende her gedacht werden, sagte Stiftungsvorstand Eugen Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „Deutschland hat heute nicht die Infrastruktur, in relativ kurzen Intervallen 70 Millionen Menschen zu impfen. Ebenso muss klar sein, ob auch eine Booster-Impfpflicht notwendig sein wird.“
Ohne ein zentrales Impfregister sei das ganze Vorhaben zum Scheitern verurteilt, so Brysch weiter. Er fügte hinzu: „Wer die Impfpflicht will, muss das Ausstiegsszenario brennen. Da endet die Empfehlung des Ethikrates und beginnt die Verantwortung der Mitglieder des Deutschen Bundestages.“