Vater der Wimmelbücher: Ali Migutsch gestorben

Ali Mitgutsch, der „Vater der Wimmelbücher“ ist tot. Am Montagabend sei der Mann, der nie ohne Stift und Papier aus dem Haus ging, im Alter von 86 Jahren in München gestorben, teilte der Ravensburger Verlag am Dienstag mit.

Ali Mitgutsch –Foto: Anja Koehler

Ali Mitgutsch, der „Vater der Wimmelbücher“ ist tot. Am Montagabend sei der Mann, der nie ohne Stift und Papier aus dem Haus ging, im Alter von 86 Jahren in München gestorben, teilte der Ravensburger Verlag am Dienstag mit. Mitgutsch wurde 1935 in München geboren. Seine Karriere begann er als Grafiker. 1968 erschien sein erstes Wimmelbuch „Rundherum in meiner Stadt“ im Ravensburger Verlag. 1969 erhielt er dafür den Deutschen Jugendbuchpreis. Seitdem sind mehr als 70 Bücher, Poster und Puzzles mit seinen Figuren und Zeichnungen erschienen.

Mit den Wimmelbüchern hat Migutsch ein neues Genre geschaffen. Allein in Deutschland gingen über fünf Millionen Exemplare der ohne Worte auskommenden Kinderbücher über die Ladentische, international kamen mehr als drei Millionen verkaufte Exemplare dazu. In Interviews zu seinem 80. Geburtstag sagte Ali Mitgutsch: „Jedes einzelne Wimmelbild ist ein Teil von mir. Meine Wimmelbücher sind gemacht, um die Kinder in die Gärten der Fantasie zu führen, dass sie selbst weitermachen.“ Ab 2007 konzentrierte er sich auf das Schaffen seiner „Traumkästen“, kleine gerahmte Bühnen. Seit 2017 war er im Ruhestand und zog sich aus dem öffentlichen Leben zurück.

Sog der Wimmelbücher

Schon auf einer Doppelseite seiner überdimensionalen „Wimmelbücher“ werden zig Geschichten erzählt. Da rutscht eine Dachlawine auf Autodächer, da prügeln sich zwei Jungs um eine Schüppe, und gleich nebenan lenkt ein Lümmel einen Springbrunnenstrahl so um, dass Passanten im nächsten Moment klatschnass werden müssen. Wer jemals mit Kindern die Wimmelbücher von Ali Migutsch angeschaut hat, kennt diesen Sog: Man kann in diesem Gewusel von Geschichten vom Bauernhof, aus der Stadt, vom Piratenschiff oder von den Jahreszeiten gar nicht mehr aufhören mit dem Suchen und Entdecken, dem Erzählen und Lachen. Alles passiert gleichzeitig und alles ist gleich wichtig. Unglücke, Missgeschicke, Streiche und lustige Begebenheiten: Es ist der Blick von ganz oben, aus der Riesenrad-Perspektive, der enthüllt, was sonst oft verborgen bleibt. Der „Spiegel“ fühlte sich in einem Porträt zum 80 Geburtstag an die Bilder von Migutschs alten flämischen Vorgängers Pieter Brueghel erinnert.

Am Montagabend ist der Mann, der nie ohne Stift und Papier aus dem Haus ging, im Alter von 86 Jahren in München gestorben, teilte der Ravensburger Verlag am Dienstag mit. Schon zu seinem 85. Geburtstag hatte er seinen Rückzug aus dem öffentlichen Leben angekündigt: „Das Zeichnen war für mich eine unendlich lange, oft auch beschwerliche, aber stets glückliche Lebensreise, auf die mir nur noch die Rückschau bleibt“, sagte er.

Mitgutsch wurde 1935 in München geboren. In der von Bomben zerstörten Stadt sammelte er seine frühesten Eindrücke. Er absolvierte eine Ausbildung zum Lithografen und studierte später an der grafischen Akademie in München. Der Kinderpsychologe Kurt Seelmann gab ihm in den 1960er Jahren den Anstoß, eine besondere Art von Kinderbüchern zu zeichnen. 1968 erschien sein erstes Wimmelbuch „Rundherum in meiner Stadt“ im Ravensburger Verlag. 1969 erhielt er dafür den Deutschen Kinder- und Jugendbuchpreis. Seitdem sind mehr als 70 Bücher, Poster und Puzzles mit seinen Figuren und Zeichnungen erschienen.

Tiefreligiöe Mutter

Mit den Wimmelbüchern – riesigen Pappbüchern – hat der Mann mit dem buschigen, weißen Walrossbart und stechend blauen Augen ein neues Genre geschaffen. Allein in Deutschland gingen über fünf Millionen Exemplare der ohne Worte auskommenden Kinderbücher über die Ladentische, international kamen mehr als drei Millionen verkaufte Exemplare dazu. In Interviews zu seinem 80. Geburtstag sagte Ali Mitgutsch: „Jedes einzelne Wimmelbild ist ein Teil von mir. Meine Wimmelbücher sind gemacht, um die Kinder in die Gärten der Fantasie zu führen, dass sie selbst weitermachen.“

Ein häufiges Motiv in seinen Büchern war seine Heimatstadt. Eine seiner wichtigsten Quellen für Eingebungen die Menschen im Englischen Garten. Doch Migutsch betonte, dass der wichtigste Ort, an dem für den Zeichner wirklich etwas passiert, in ihm selbst liegt. Er selber sei als Kind ein viel gehänselter Träumer gewesen, beschrieb er sich selber. „Meine Fantasie hat mich gerettet.“

Diese Kreativität verdankt er womöglich seiner tiefreligiösen Mutter, wie Migutsch in seiner Autobiographie „Herzanzünder“ erzählte. Sie hat ihre drei Kinder stets auf lange Wallfahrten mitgenommen und mit langen, selbst erdachten Geschichten bei Laune gehalten. Für den jungen Ali war das Größte aber immer das Ende der Reise, wenn er in einer der Kirchen die Dioramen für die Pilger betrachtete. Er warf ein paar Pfennige in den Schaukasten, und die christlichen Figuren setzten sich in Bewegung. Migutsch hat sich mit seiner Idee gegen viele Widerstände durchgesetzt. Gegen Pädagogen, die meinten, er überfordere die Kinder mit so vielen Details. Gegen Kritiker, die bemängelten, er male eine zu heile Welt. Und auch gegen Buchhändler, die ihn warnten, so großformatige Bände verkauften sich nicht.

kna