Umfrage: 37 Prozent würden Flüchtlinge zu Hause aufnehmen

Bei einer Umfrage für „Bild am Sonntag“ hat mehr als jeder dritte Befragte (37 Prozent) angegeben, er würde ukrainische Flüchtlinge vorübergehend bei sich zu Hause aufnehmen.
Bei einer Umfrage für "Bild am Sonntag" hat mehr als jeder dritte der 1.005 Befragten (37 Prozent) angegeben, er würde ukrainische Flüchtlinge vorübergehend bei sich zu Hause aufnehmen.

Nancy Faeser –Foto: ©Angelika AschenbachAngelika Aschenbach

Bei einer Umfrage für „Bild am Sonntag“ hat mehr als jeder dritte der 1.005 Befragten (37 Prozent) angegeben, er würde ukrainische Flüchtlinge vorübergehend bei sich zu Hause aufnehmen. Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte unterdessen eine bessere Koordination bei der Aufnahme von Ukraine-Flüchtlingen und den Einsatz des Corona-Krisenstabs.

Kretschmer sagte der Zeitung: „Die meisten Menschen kommen in Berlin an. Deshalb brauchen wir schnell eine strategische Organisation für die Registrierung und Verteilung auf die Bundesländer.“ Berlin alleine sei damit derzeit überfordert, fügte der Politiker hinzu: „General Carsten Breuer könnte mit seinem Corona-Krisenstab da sicher wertvolle logistische Hilfe leisten.“

Ukrainer erhalten rasch Asyl-Leistungen und Arbeitserlaubnis

Flüchtlinge aus der Ukraine sollen in Deutschland nach Angaben der Bundesregierung rasch Asylbewerber-Leistungen und Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. „Wir wollen und werden den Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, helfen“, sagte Leonie Gebers, Staatssekretärin im Bundesarbeitsministerium, dem Nachrichtenportal „The Pioneer“: „Diese Menschen fliehen vor Krieg, vor einem Krieg in Europa, den niemand sich vorstellen wollte.“

Gebers sagte, die Kriegsflüchtlinge würden zunächst vorübergehend einen sicheren Aufenthaltstitel erhalten – und Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. „Damit ist auch die Gesundheitsversorgung für diese Menschen sichergestellt“, so die Staatssekretärin weiter: „Klar ist, dass den geflohenen Ukrainern und Ukrainerinnen damit auch möglichst schnell der Zugang zum Arbeitsmarkt offenstehen soll.“

Jetzt gehe es zuerst darum, den Menschen Sicherheit und Obdach zu bieten, so Gebers weiter. Dabei unterstütze man die EU-Nachbarländer und treffe auch hier in Deutschland alle nötigen Vorkehrungen: „Die Bilder der fliehenden Frauen und Kinder sind erschütternd. Täglich kommen inzwischen Tausende am Berliner Hauptbahnhof an, viele weitere erreichen Deutschland auf anderen Wegen.“ Die Bundesregierung arbeite daher mit Hochdruck daran, eine Vielzahl von aufenthalts- und sozialrechtlichen Fragen zu klären.

Faeser: Aufnahme Geflüchteter unabhängig von Staatsbürgerschaft

Deutschland will alle Flüchtlinge aus der Ukraine unabhängig von ihrer Nationalität aufnehmen. „Wir wollen Leben retten. Das hängt nicht vom Pass ab“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) der „Bild am Sonntag“. Der allergrößte Teil der Geflüchteten seien Ukrainerinnen und Ukrainer. Menschen aus anderen Staaten, die in der Ukraine schon ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hatten, brächten diesen Status mit, so die Ministerin: „Auch sie müssen kein aufwändiges Asylverfahren durchlaufen. Zum Beispiel bei jungen Indern, die in der Ukraine studiert haben, sehen wir, dass sie vor allem schnell in ihre Heimat zurück wollen.“

Faeser betonte weiter, dass es keine Obergrenze für die Aufnahme von ukrainischen Flüchtlingen geben werde: „Erstmals nehmen alle EU-Staaten Kriegsflüchtlinge auf, besonders unsere östlichen Nachbarn. Das ist eine völlig andere Lage, als wir sie bisher in Europa hatten.“ Das wichtigste sei jetzt eine „bestmögliche Verteilung und Versorgung“. Dann stelle sich auch nicht die Frage nach Überlastungen einzelner Staaten.

Einen „Kontrollverlust“ bei der Einreise wie 2015 werde es nicht geben, fügte die Ministerin hinzu: „Natürlich schauen wir jetzt genauer hin, wer nach Deutschland kommt. Die Bundespolizei hat die Kontrollen an den Grenzen intensiviert. Damit können wir auch schneller Menschen registrieren. Aber eins ist auch klar: Jetzt wollen wir schnell und unbürokratisch helfen.“

Die europäische Zusammenarbeit in der Versorgung ukrainischer Flüchtlinge nannte Faeser „historisch“. Zum ersten Mal nähmen alle EU-Staaten gemeinsam Kriegsflüchtlinge auf: „Ich hoffe, dass uns diese Solidarität auch bei den nächsten Schritten hin zum gemeinsamen Asylsystem weiter

Zentren fordern Unterstützung für Behandlung von Kriegstraumata

Angesichts der steigenden Zahl ukrainischer Kriegsflüchtlinge fordert die bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BAfF) finanzielle Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen. „Die Psychosozialen Zentren werden versuchen, jedem und jeder zu helfen, der oder die Hilfe benötigt“, sagte Geschäftsleiter Lukas Welz dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Sonntag): „Dazu braucht es aber schnell eine finanzielle und personelle Aufstockung in der Struktur.“

Deutschland sei auf diese Situation nicht vorbereitet, warnte Welz: „Die Finanzierung der Psychosozialen Zentren ist schon jetzt prekär.“ Der zusätzlich entstehende Bedarf durch Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine sei nicht mehr zu bewältigen, „wenn es nicht zu einer deutlichen Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen in dieser akuten Situation kommt“.

Auch der Bundesvorsitzende der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV), Gebhard Hentschel, forderte zusätzliche Unterstützung: „Wir gehen davon aus, dass aus der Ukraine kommende Flüchtlinge psychologische und psychotherapeutische Hilfe in erheblichem Umfang benötigen.“ Da die Versorgungslage in Deutschland insgesamt angespannt sei, sei diese zusätzliche Aufgabe mit der aktuellen Zahl an Kassenpsychotherapeuten nicht zu schaffen. „Kurzfristige Kostenübernahmen im Rahmen von Kostenerstattung durch die Krankenkassen sind notwendig“, so Hentschel.

rwm/kna

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