Das Bundesverfassungsgericht hat die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen für rechtens erklärt.
Karlsruhe – Das Bundesverfassungsgericht hat die einrichtungsbezogene Impfpflicht im Gesundheitswesen für rechtens erklärt. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wies am Donnerstag dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerden von rund 50 Personen zurück. Die Impfpflicht etwa für Mitarbeiter von Heimen, Krankenhäusern und Arztpraxen war Mitte März in Kraft getreten.
Zwar liege bei der Impfpflicht ein Eingriff in Grundrechte vor, räumten die Karlsruher Richterinnen und Richter ein. Alternativ bleibe nur, den Beruf nicht mehr auszuüben oder den Arbeitsplatz zu wechseln. Der Gesetzgeber habe jedoch einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Schutz besonders gefährdeter Menschen vor einer Infektion und den Grundrechtsbeeinträchtigungen für Dritte gefunden.
Die Richter betonten zudem, dass die weitere Entwicklung des Pandemiegeschehens nach Verabschiedung des Gesetzes keine abweichende Beurteilung begründe. Im Februar hatte der Erste Senat bereits den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) begrüßte die Entscheidung. Der Staat sei verpflichtet, verletzliche Gruppen zu schützen, erklärte er in Berlin. „Ich bedanke mich bei allen Einrichtungen, die die einrichtungsbezogene Impfpflicht umgesetzt haben. Sie haben großen Anteil daran, dass es in der schweren Omikronwelle nicht noch mehr Todesfälle gegeben hat.“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) hält trotz des Urteils an ihrer Forderung nach Aussetzung der Impfpflicht fest. Der Vorstandsvorsitzende Gerald Gaß sagte der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Freitag), wegen des Scheiterns der allgemeinen Impfpflicht wäre es konsequent, auch die einrichtungsbezogene Impfpflicht auszusetzen.
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, hält Corona-Schutzmaßnahmen für gefährdete Gruppen grundsätzlich für richtig, zweifelt aber weiter an der einrichtungsbezogenen Impfpflicht. Effizienter wäre ein verpflichtendes Testsystem für Personal, sagte Brysch. Er bemängelte, dass sich das Gericht zur Test-Option nicht geäußert habe. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht bleibe „eine administrative und arbeitsrechtliche Baustelle“.
Ende April hatten die Gesundheitsämter der 20 größten Städte Deutschlands nach Medienberichten mehr als 47.000 Verstöße gegen die Impfpflicht im Gesundheitswesen gemeldet. Sanktionen waren zu diesem Zeitpunkt noch gegen keine einzige Person ausgesprochen worden.
Eine allgemeine Impfpflicht oder eine allgemeine Impfpflicht für bestimmte Altersgruppen war Anfang April im Bundestag gescheitert. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) machte daraufhin deutlich, dass er von einem neuerlichen Anlauf nichts halte. Dagegen plädierten die Gesundheitsminister von Bayern, Baden-Württemberg und Hessen Anfang der Woche für einen neuen Anlauf für eine Impfpflicht ab 60 Jahren. Sie verwiesen auf eine mögliche neue Corona-Welle im Herbst: Man müsse das Gesundheitssystem vor einer Überlastung schützen und Einschränkungen für die Bevölkerung vermeiden.