Seit 2013 gibt es den Rechtsanspruch auf eine Betreuung in Kitas auch für unter Dreijährige. Nach wie vor mangelt es aber an Plätzen. Besonders dramatisch ist die Situation in Nordrhein-Westfalen.
Gütersloh/Berlin – So manche junge Familie steht nach der Elternzeit vor einem schier unlösbaren Problem: Die Mütter oder Väter wollen wieder in den Beruf einsteigen, finden aber für den Nachwuchs keinen Kitaplatz. Dabei gibt es einen Rechtsanspruch auf eine solche Betreuung auch für unter dreijährige Kinder bereits seit dem Jahre 2013, für die über Dreijährigen sogar seit 1996 – mit der Umsetzung hapert es nach wie vor. Einen genaueren Einblick gibt der am Donnerstag vorgestellte Ländermonitor „Frühkindliche Bildungssysteme 2022“ der Bertelsmann-Stiftung.
Danach fehlen in Deutschland im kommenden Jahr rund 384.000 Kita-Plätze, um den Bedarf zu decken. Besonders groß ist die Lücke zwischen den Wünschen der Eltern und den Betreuungsmöglichkeiten laut der Untersuchung in Westdeutschland. Der größte Mangel besteht demnach im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen mit 101.600 fehlenden Kita-Plätzen, während in Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen ausreichend Plätze vorhanden sind. Auch in den Stadtstaaten fehlen Plätze: In Berlin 17.000, in Bremen 5.400 und in Hamburg 3.700.
Obwohl die Situation der Kita-Plätze in Ostdeutschland durchschnittlich besser ist, gibt es auch für diese Region deutliche Kritik: Der Betreuungsschlüssel liegt dort nach Angaben der Autoren weit hinter den wissenschaftlichen Empfehlungen zurück. Bundesweit gesehen werden mehr als zwei Drittel der Kita-Kinder in Gruppen betreut, bei denen eine Fachkraft für deutlich mehr als drei Kinder unter drei Jahren oder mehr als 7,5 Kinder über drei Jahren verantwortlich sei. In Ostdeutschland sei das sogar bei 90 Prozent der Gruppen der Fall.
Ein Problem, das der Monitor ausmacht, ist ein altbekanntes: Trotz leichter Besserung fehlt es nach wie vor an Fachkräften. Um diesem zu begegnen, müssten nicht nur die Arbeitsbedingungen attraktiver werden, sondern auch deutlich mehr in Neueinstellungen investiert werden, rechnet die Stiftung vor. Wenn alle Gruppen nach dem empfohlenen Betreuungsschlüssel versorgt werden sollten, fehlten 308.800 zusätzliche Fachkräfte, was 13,8 Milliarden Euro alleine an Personalkosten entspräche.
Zwar beteiligt sich der Bund an den Kosten für den Ausbau und an der Qualitätsoffensive. Die bislang vorgesehenen Mittel reichten aber bei weitem nicht aus. Im geplanten Kita-Qualitätsgesetz, das zum Januar 2023 in Kraft treten soll, sind je zwei Milliarden Euro für die kommenden beiden Jahre vorgesehen.
Als kurzfristige Lösung schlägt der Ländermonitor vor, die Betreuungszeiten der Kinder zu reduzieren, um so für mehr Kinder ein Betreuungsangebot zu ermöglichen. Zugleich brauche es eine „grundlegende Bestimmung der Kernaufgaben von Kitas“, erklärte die Stiftung. Viel Zeit verschlinge etwa die Dokumentation von Bildungsfortschritten. Dies könne möglicherweise eingeschränkt werden.
Ob das neue Kita-Qualitätsgesetz die Situation verbessern oder eher verschlimmern wird, wird sich zeigen. Das Gesetz sieht eine stärkere Mitsprache des Bundes beim Ausbau der Plätze vor. Die Bundesmittel sollen weniger in geringere Gebühren für die Eltern gesteckt werden, sondern vielmehr in eine bessere Qualität. Dazu gehört etwa auch eine Regelung der Gruppengröße und die sprachliche Förderung der Kinder. Zugleich läuft zum Jahresende aber ein eigenes Bundesprogramm für besondere Sprachkitas aus.