Blut und Spiele: Warum sich an der Fußballweltmeisterschaft vieles falsch anfühlt

Fußball-WM im Advent – und das ausgerechnet in Katar? Passt das zusammen? Über die Risiken und Chancen einer solchen „Liason dangereuse“.
Fußball-WM im Advent - und das ausgerechnet in Katar? Passt das zusammen? Über die Risiken und Chancen einer solchen „Liason dangereuse“.Bonn – Bedeutet Fußballweltmeisterschaft hierzulande nicht eigentlich Sommermärchen mit Public Viewing, bierseligen Grillabenden und Kneipenjubel? Die Leichtigkeit des Seins, sobald das runde Leder über den Rasen rollt, steckt sogar Menschen an, die sonst mit Kicken nix am Hut haben. Und selbst noch so herbe Niederlagen der Mannschaft, mit denen wir mitfiebern, lassen sich in der Sommerhitze leichter mit ein paar Aperol Spritz in der Clique kleintrinken als zu jeder anderen Jahreszeit.

(Symbolfoto: Michal Jarmoluk auf Pixabay)

Bedeutet Fußballweltmeisterschaft hierzulande nicht eigentlich Sommermärchen mit Public Viewing, bierseligen Grillabenden und Kneipenjubel? Die Leichtigkeit des Seins, sobald das runde Leder über den Rasen rollt, steckt sogar Menschen an, die sonst mit Kicken nix am Hut haben. Und selbst noch so herbe Niederlagen der Mannschaft, mit denen wir mitfiebern, lassen sich in der Sommerhitze leichter mit ein paar Aperol Spritz in der Clique kleintrinken als zu jeder anderen Jahreszeit.

Bei der kommenden WM in Katar ist alles anders und vieles falsch. Man kann sich schlecht vorstellen, dass auf dem Weihnachtsmarkt zwischen Zuckerwatte, Glühwein und Bratwurstständen große Fußballstimmung aufkommt. Wird hinter der Mandelbude ein kleiner Monitor flimmern, wo unsere Elf, winzig wie Tipp-Kick-Figuren, dem Ball nachjagt? Die Adventszeit ist als eine besinnliche Phase des Rückzuges angelegt. Kaum jemand weiß im Trubel des Weihnachtsgeschäfts und der Firmenfeiern noch, dass die Zeit vom 11. November (Sankt Martin) bis zur Christnacht einst eine vierzigtägige Fastenzeit war.

Bei der Vergabe der WM es nicht mit rechten Dingen zu.

Nicht nur der Zeitpunkt der WM ist also nicht richtig gewählt, sondern auch der der Ort. Schon bei der Vergabe der WM 2010 ging es bekanntlich nicht mit rechten Dingen zu. Katar bekam im vierten Wahlgang den Zuschlag, obwohl der Wüstenstaat sogar laut interner Fifa-Prüfberichte von allen Bewerbungen am wenigsten für eine WM-Ausrichtung geeignet war.

Die Bestechlichkeit des Fifa-Exekutivkomitees, das ist mittlerweile aufgearbeitet, waren der Grund dafür, dass bei der Doppelvergabe der WMs nach Moskau 2018 und nach Katar 2022 an einem Tag entschieden wurde. Von den 22 Exekutivkomitee-Mitgliedern, zu denen auch Franz Beckenbauer gehörte, boten zwei ihre Stimmen zum Kauf an. Die „Sunday Times“ filmte sie bei dem faulen Deal mit versteckter Kamera. Daraufhin wurden sie kurz vor der Abstimmung gesperrt. Ermittler in den USA stellten 2015 erstmals offiziell fest: Die WM in Katar wurde gekauft.

Der Preis der Schmiergelder, der ist jedoch nichts gegenüber dem hohen Preis, den die Gastarbeiter in Katar bezahlten, die unter den menschenunwürdigsten Bedingungen die Stadien errichteten oder renovierten. Die Zahl der Opfer, die bei dieser Sklavenarbeit am Bau für die WM starben, beläuft sich nach Recherchen der britischen Tageszeitung „The Guardian“ auf über 6.500 migrierte Arbeiter, etwa 2.700 von ihnen kamen allein aus Indien. Und damit ist noch nicht die verheerende Ökobilanz beschrieben, die langfristige Folgen haben wird.

Diese aufrechten Menschen verkörpern am ehesten den Adventsgedanken

Solche Zahlen kannte man bisher nur von Schätzungen rund um den Bau der ägyptischen Pyramiden vor rund 4.500 Jahren. Sind wir, wenn wir es uns nun ab dem 20. November vor dem Fernsehapparat gemütlich machen, ähnlich dekadent wie das spätrömische Publikum in der Arena, die den Tod der Gladiatoren für ihre Unterhaltung billigend in Kauf nahmen? Womöglich läuft es dieses Mal anders. Immerhin hielten es zwei Drittel der Bundesbürger laut einer Infratest-Dimap-Umfrage vom letzten Jahr noch für angemessener, wenn die deutsche Nationalmannschaft gar nicht erst nach Katar reisen würde.

Ob die Fußballfans, wenn es jetzt tatsächlich losgeht, bei ihrer Haltung bleiben, wird sich noch herausstellen. Jedenfalls machen Eventveranstalter und Wirte es den Fans vielerorts nicht leicht. Durch Corona und Inflation finanziell schwer gebeutelt, weigern sich immer mehr Kneipenbesitzer, die Spiele in ihrer Kneipe zu zeigen. Das ist eine moralische Großtat. Diese aufrechten Menschen verkörpern am ehesten den Adventsgedanken.

Auffallend ist allerdings, dass Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sich gegen einen Boykott der WM aussprechen. Katar hat zaghafte Reformen eingeleitet, die auch die Arbeitsbedingungen der Migranten betreffen. Erst durch die Berichterstattung im Vorfeld der WM rückte die Misere in den Blick. Die verschärfte Beobachtung wird Katar nach dieser WM nicht mehr so schnell los.

Von Andreas Öhler (KNA)