Nordrhein-Westfalen strebt einen Neustart bei der Armutsbekämpfung an. „Armut ist mehr als ein Mangel an Geld“, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Mittwoch in Essen.
Essen – Nordrhein-Westfalen strebt einen Neustart bei der Armutsbekämpfung an. „Armut ist mehr als ein Mangel an Geld“, sagte Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) am Mittwoch in Essen. Betroffene wie Arbeitslose, Obdachlose, Alleinerziehende, Kinder in armen Familien, Menschen mit geringen Renten und Flüchtlinge aus der Ukraine litten auch an einer fehlenden Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Wüst äußerte sich zum Auftakt der „Konferenz gegen Armut“ mit Vertretern aus Wirtschaft, Kommunen, Sozialverbänden und der Freien Wohlfahrtspflege. Die Akteure sollen auch über das Treffen hinaus mit der Landesregierung Lösungsansätze gegen Armut entwickeln.
Wüst verwies auf die aktuell stark gestiegenen Preise besonders im Bereich von Energie und Lebensmitteln. Dadurch gerieten arme Menschen besonders unter Druck und bräuchten Hilfe. Die Landesregierung habe 150 Millionen Euro zur Bewältigung der Krise zur Verfügung gestellt, etwa um Tafeln zu unterstützen und die Beratung für verschuldete Menschen zu stärken. Mit 60 Millionen Euro werde Kitas geholfen, um deren gestiegene Energiekosten aufzufangen und Schließungen zu vermeiden. Es brauche aber weitere Maßnahmen gegen Armut.
Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte, das Problem Armut lasse sich nur angehen, wenn alle staatlichen Ebenen – Kommunen, Länder und Bund – sowie viele gesellschaftliche Akteure zusammenwirken. In NRW sei die Armutsquote gesunken, „dann kam Corona“. Jetzt seien wieder 3 Millionen Menschen und damit etwa 18 Prozent der Bevölkerung von Armut betroffen. Der Energiekrieg Putins verschärfe die Situation. Das untere Viertel der Einkommensbezieher müsse zwei Drittel der zur Verfügung stehenden Mittel für Wohnen, Energie und Lebensmittel ausgeben. „Die Inflation ist der Taschendieb der kleinen Leute“, zitierte Laumann den früheren Bundesarbeitsminister Norbert Blüm (CDU).
Familienministerin Josefine Paul (Grüne) forderte, besonders die Kinder- und Jugendarmut in den Blick zu nehmen. So gelte fast die Hälfte der Ein-Eltern-Familien (43 Prozent) als arm. Viele Kinder litten darunter, dass sie nicht ausgewogen ernährt seien, zu wenig Platz in der Wohnung hätten oder von Aktionen wie Klassenfahrten ausgeschlossen seien. In Deutschland gelten Menschen als arm, deren Nettoeinkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens beträgt.
Als wichtigen Schritt gegen Armut nannte Laumann, Menschen die Teilhabe an der sozialversicherten Beschäftigung und Ausbildung zu ermöglichen. Das neue Bürgergeld eröffne hier neue Möglichkeiten, etwa um Arbeitslosen eine dreijährige und damit bodenständige Ausbildung zu vermitteln. Zugleich räumte der Minister ein, dass es „Armut trotz Arbeit“ gebe. Daher sei ein existenzsichernder Mindestlohn richtig. Zudem müsse es zu mehr Tarifabschlüssen und damit fairen Löhnen kommen.