Seit Wochen gibt es in Nicaragua keine Informationen über Bischof Rolando Alvarez. Die Justiz des mittelamerikanischen Landes hat den kirchlichen Regierungskritiker zu einer langen Haftstrafe verurteilt.
Managua – Die Sorge nimmt zu. Auch 40 Tage nach seiner Verurteilung, unter anderem wegen Landesverrats, ist nichts über den Aufenthaltsort oder den Gesundheitszustand des oppositionellen Bischofs Rolando Alvarez bekannt. Das berichtet das Nicaraguanische Zentrum für Menschenrechte.
Während der im Exil in Miami lebende Weihbischof von Managua, Silvio Baez, gar um das Leben von Alvarez fürchtet, hat die sandinistische Regierung um Präsident Daniel Ortega und seine Frau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, ihre religiösen Präferenzen geändert: Schmückte sich der linksgerichtete Sandinismus einst noch mit katholischen Befreiungstheologen und Priestern wie dem 2020 verstorbenen Ernesto Cardenal, zuletzt ein scharfer Kritiker der „Ortega-Diktatur“, rückt er nun in Richtung erzkonservative evangelikale Kirchen.
Spätestens seit der Kritik von Papst Franziskus an den Zuständen in Nicaragua und einem Vergleich mit Diktaturen wie der Hitlers oder Stalins ist das Tischtuch zwischen der katholischen Kirche und dem Ortega-Regime endgültig zerschnitten. Managua beendete die diplomatischen Beziehungen mit dem Vatikan, die Nuntiatur ist geräumt.
Ortega und Murillo erhalten derweil Demutsbekundungen evangelikaler Priester. In einem Brief des Nationalen Rates evangelikaler Pastoren heißt es, „die Lösung unserer irdischen und geistigen Probleme kann niemals von Washington oder Rom kommen“. Dafür vielleicht aus Peking oder Moskau? Mit beiden Staaten hat das Ortega-Regime in den letzten Monaten die Beziehungen deutlich verstärkt.
Spannend wird sein, wie der Ibero-amerikanische Gipfel in der Dominikanischen Republik mit dem Thema umgeht. Zuletzt waren die demokratischen Linksregierungen in Lateinamerika auf Distanz zu Ortega gegangen, nachdem Nicaragua zahllose Nichtregierungsorganisationen und Handelskammern aufgelöst, politische Gefangene ausgebürgert hatte und der Bruch mit der katholischen Kirche vollzogen war.
Bei dem Gipfel lässt sich die Ortega-Familie laut lokalen Medienberichten von Außenminister Denis Moncada vertreten. Ortegas wichtigster Fürsprecher in Lateinamerika, Brasiliens Präsident Lula da Silva, der sich noch im Wahlkampf hinter das Regime stellte, wird nicht in der Dominikanischen Republik vertreten sein.
Derweil ist das Schicksal von Alvarez auch in Washington ein Thema: US-Außenminister Anthony Blinken drückte seinen Respekt für den Bischof aus, der sich weigert, trotz einer ausgesprochenen Strafe von 26 Jahren Haft das Land zu verlassen und das Exil gegen die Zelle zu tauschen. „Ich bewundere ihn zutiefst und unsere Botschaft verfolgt diese Angelegenheit. Ich verfolge sie auch, aber unser Einfluss auf die nicaraguanische Regierung ist begrenzt“, wurde Blinken in dieser Woche zitiert. Er räumte ein, dass auch die US-Regierung nicht wisse, in welchem Gefängnis sich Alvarez befinde. Der US-Botschafter in Managua, Kevin Sullivan, sei aber dabei konkrete Schritte zu unternehmen, um sich für Alvarez‘ Freilassung einzusetzen.
Unterdessen fordern die inzwischen aus der Haft entlassenen und ausgebürgerten ehemaligen nicaraguanischen Präsidentschaftskandidaten Felix Maradiaga und Juan Sebastian Chamorro in den USA mehr internationalen Druck auf das Regime von Daniel Ortega. „Es ist an der Zeit, eine neue Phase einzuleiten“, sagte Maradiaga. Ortega sei eine klare Gefahr nicht nur für die Menschen in Nicaragua, sondern für die ganze Welt. „Er ist ein Relikt des Kalten Krieges und verkörpert ein Erbe der Unterdrückung der Menschheit“, so Maradiaga.
Derzeit deutet nichts auf ein versöhnliches Ende der innenpolitischen Spaltung Nicaraguas, die in der Vergangenheit bereits hunderte Tote bei Ausschreitungen gefordert hat. Nicaraguas Kirche, Nichtregierungsorganisationen (NGO) und unabhängige Medien kritisierten immer wieder in scharfer Form die Menschenrechtsverletzungen der Regierung. Inzwischen sind fast 4.000 NGOs verboten worden. Jüngst wurden mehr als 200 politische Gefangene ausgebürgert und in die USA ausgeflogen.