Sein Name ist Charles, Charles der Dritte. Herrscher erhalten eine römische Ziffer zu ihrem Namen, damit sie für die Geschichtsbücher unterscheidbar bleiben. Doch manche Regenten haben weitere vielsagende Beinamen.
London/Bonn – Noch hat man sich nicht richtig dran gewöhnt: 70 Jahre lang war von „Prinz Charles“ die Rede, doch Charles Philip Arthur George Mountbatten-Windsor ist längst als „König Charles“ in den Geschichtsbüchern verzeichnet. Und zwar als Charles der Dritte (CRIII). Ob bei Päpsten (Benedikt XVI.), deutschen Kaisern (Wilhelm II.), preußischen Königen oder britischen Monarchen: Die römische Ziffer gehört zum Namen dazu, weil sie den aktuellen Charles von seinen beiden gleichnamigen Vorgängern unterscheidet und ihn als Glied einer langen Kette von Vorgängern präsentiert. Allerdings gab es Zeiten, in denen Herrscher vielsagendere und klingende Beinamen erhielten.
War Karl der Kahle wirklich kahl?
Man denke nur an die Karolinger, die seit dem 8. Jahrhundert das Fränkische Reich regierten: Auf Pippin den Mittleren folgten unter anderen Karl Martell (der Hammer), Pippin der Kleine (der Kurze), Karl der Große, Pippin der Bucklige, Ludwig der Fromme, Karl der Kahle, Karl der Dicke, Ludwig der Blinde, Ludwig das Kind, Ludwig der Stammler, Karl der Einfältige und Ludwig der Nichtstuer.
„Folgt man dem Wortlaut der Beinamen, so scheint es mit der Dynastie nach Karl dem Großen fast nur noch bergab gegangen zu sein“, urteilt der Historiker Reinhard Lebe. Doch war Karl der Kahle wirklich kahl? Und Johanna die Wahnsinnige wirklich wahnsinnig? Hatte der englische König Richard I. wirklich ein Löwenherz, und wie enthaltsam war König Alfons der Keusche?
Chronisten und Geschichtsschreibern verliehen den Herrschern Beinamen
Die Saarbrücker Mittelalter-Historikerin Miriam Weiss hat sich viel mit solchen Beinamen beschäftigt. Sie weiß, dass sie meist nicht zu Lebzeiten des Herrschers, sondern erst nachträglich von Chronisten und Geschichtsschreibern verliehen wurden – manchmal erst Jahrhunderte später. So fand der Historiker Theodor Schieder heraus, dass der Beiname „der Große“ erstmals bei Alexander dem Großen (356-323 v.Chr.) auftrat; allerdings wird der Grieche erst gut 100 Jahre nach seinem Tod von Platon so bezeichnet. Bis dahin trug er den Ehrentitel „der Unbesiegbare“. Bei Karl dem Großen (748-814) stellt es sich ähnlich dar. „Erst nach 1000 setzt sich der Beiname magnus für die Person und den Herrscher Karl durch.“
„Der Große“ dürfte der wohl am häufigsten verliehene Beiname sein. Solche Zusätze dienten dazu, gleichnamige Herrscher voneinander zu unterscheiden. Zugleich waren sie Teil der Propaganda: entweder um einen Herrscher oder eine Herrscherin zu loben (Philipp der Schöne, Boleslaw der Tapfere) oder zu verspotten (Gottfried der Bucklige, Johanna die Wahnsinnige, Johann Ohneland).
Beinamen regen die Fantasie an
Grundlage für solche Beinamen waren entweder vermeintlich große Leistungen (Wilhelm der Eroberer), Charaktereigenschaften (Otto der Faule oder Iwan der Schreckliche) oder Körpermerkmale (Karl der Kahle, Otto der Dicke, Harald Schönhaar). Karl der Große war wirklich sehr groß (1,92 Meter), aber er wurde auch so genannt, weil er nach Darstellung der Chronisten große Taten vollbracht und ein großes Reich regiert hatte. Bisweilen verdeutlicht der Beiname auch die Herkunft oder das Herrschaftsgebiet, wie bei Ludwig dem Bayer oder Ludwig dem Deutschen.
Der Nachwelt bleiben so charakterisierte Herrscher sicher besser im Gedächtnis als Regentinnen und Regenten, die hinter ihrem Namen nur eine römische Zahl stehen haben. Auch ist bei ihnen ist die Verwechselungsgefahr groß – mit Friedrich II. kann sowohl der Stauferkaiser des 13. Jahrhunderts also auch der berühmte Preußenkönig gemeint sein. Beinamen regen die Fantasie an: Kaiser Friedrich Barbarossa wird zu einem Herrscher mit leuchtend rotem Rauschebart. Markgraf Albrecht der Bär zu einem hühnenhaften Krieger.
Queen Elizabeth II. hätte den Beinamen „die Ewige“ verdient
Allerdings blieb die Tradition der Beinamen vor allem auf das Mittelalter und die Frühe Neuzeit beschränkt. Im Lauf des 19. und 20. Jahrhunderts verschwanden sie fast ganz – sonst hätte Elizabeth II. mit ihrer 70jährigen Regentschaft sicherlich den Beinamen „die Ewige“ verdient. In manchen Fällen haben Boulevardmedien allerdings die Tradition fortgesetzt. Ernst August von Hannover wurde in der Regenbogenpresse als „Pinkelprinz“ und „Prügelprinz“ verspottet. Lady Diana erhielt unmittelbart nach ihrem Tod den Beinamen „Königin der Herzen“.