Streit um die berühmte Dreifaltigkeitsikone des Malers Andrei Rubljow hat der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. den Vorsitzenden seines Expertenrats für Kirchenkunst, Erzpriester Leonid Kalinin, mit überraschend harten Sanktionen belegt.
Moskau – Im Streit um die berühmte Dreifaltigkeitsikone des Malers Andrei Rubljow hat der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. den Vorsitzenden seines Expertenrats für Kirchenkunst, Erzpriester Leonid Kalinin, mit überraschend harten Sanktionen belegt. Wie die Kirche am Samstag mitteilte, berief der Patriarch den 54-Jährigen von diesem Posten ab und untersagte ihm, Gottesdienste zu zelebrieren, weil er die Überführung der Ikone aus der staatlichen Moskauer Tretjakow-Galerie in die größte Kirche der russischen Hauptstadt, der Christ-Erlöser-Kathedrale, abgelehnt habe. Gemeinsam mit Fachleuten der Galerie soll Kalinin vor einer Beschädigung des Kunstwerks gewarnt haben.
Ikone gilt in Russland als meistverehrtes Gemälde seiner Art
Die von Rubljow 1411 geschaffene Ikone gilt in Russland als wertvollstes und meistverehrtes Gemälde seiner Art. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte unlängst die Rückgabe des vor mehr als 100 Jahren vom Staat beschlagnahmten Kunstwerks an die russisch-orthodoxe Kirche angeordnet. Sie soll ab 4. Juni zwei Wochen lang in der Kathedrale gezeigt und verehrt werden. Beobachter sprechen von einer Gegenleistung Putins dafür, dass Kyrill I. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine befürwortet und die Gläubigen aufgefordert hat, den Feldzug zu unterstützen.
Kalinin leitete seit 2016 den Expertenrat des Moskauer Patriarchats für kirchliche Kunst, Architektur und Restaurierung. Die staatliche russische Nachrichtenagentur RIA Novosti meldete unter Berufung auf einen Bischof, die Suspendierung des Geistlichen vom Priesterdienst könne wieder aufgehoben werden. Die Münsteraner Ostkichen-Expertin Regina Elsner kritisierte Kyrills Schritt. Der Patriarch ignoriere „damit alle Kanones und zeigt wiedermal, dass es ihm in keiner Weise um kirchenrechtliche Normen oder gar irgendwas mit Christentum geht“, schrieb sie auf Twitter.
Fachgremium hatte vor Herausgabe gewarnt
Ein Fachgremium der Tretjakow-Galerie, dem auch Kalinin angehört, hatte sich dagegen ausgesprochen, die Ikone „Heilige Dreifaltigkeit“ aus deren Werkstatt herauszugeben. Sie befinde sich aktuell in einem „instabilen Zustand“ und müsse dringend restauriert werden, so die Fachleute. Sie verwiesen darauf, dass die Ikone an 61 Stellen beschädigt gewesen sei, nachdem sie im Sommer 2022 für wenige Tage an die Kirche ausgeliehen und im Dreifaltigkeitskloster in Sergijew Possad bei Moskau ausgestellt wurde. Auf dem Gemälde werden drei Engel dargestellt, die in der Genesis-Erzählung der Bibel als Gäste Abrahams an einem Tisch sitzen, in der orthodoxen Tradition Sinnbild der Dreifaltigkeit.
Das russische Kulturministerium versprach am Freitag, dass alle notwendigen Maßnahmen ergriffen würden, um die Sicherheit des Objekts zu gewährleisten. Nach der Ausstellung in der Kathedrale solle es restauriert werden.