Das EU-Parlament hat das geplante Lieferkettengesetz weiter verschärft. Zivile Organisationen begrüßen das. Doch über die rechtliche Anwendbarkeit bestehen Zweifel.
Brüssel/Bonn – Das EU-Parlament hat am Donnerstag für eine schärfere Fassung des geplanten europäischen Lieferkettengesetzes gestimmt. Er sieht mit Blick auf Nachhaltigkeit und Menschenrechte strengere Sorgfaltspflichten für Unternehmen vor als der entsprechende Richtlinienentwurf der EU-Kommission und die Position der Mitgliedsstaaten im Rat. Menschenrechts- und Sozialorganisationen begrüßten die Verschärfung, warnten jedoch vor rechtlichen Lücken.
Das katholische Hilfswerk Misereor bezeichnete das Votum als Meilenstein für eine gerechtere und ökologischere Weltwirtschaft. Es nehme nun auch „Perspektiven vulnerabler Gruppen und Menschen in den Blick“, erklärte Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel. „Besonders wichtig ist die Forderung, dass Betroffene und zivilgesellschaftliche Organisationen bei Risikoanalysen, Vorbeuge- und Abhilfemaßnahmen eng einbezogen werden müssen.“
Abstriche beim Opferschutz
Es sei wichtig, dass Betroffene von Menschenrechtsverletzungen Zugang zu Recht und Schadensersatz erhielten. Gleichzeitig bedauerte Misereor, dass weiterhin keine Vorgaben für die Verteilung der Beweislast im Zivilverfahren vorgesehen seien. Das müsse bei der endgültigen Verhandlung über das Gesetz zwischen EU-Parlament, Kommission und Rat noch ausgehandelt werden.
Auch die Entwicklungshilfeorganisation Oxfam bemängelte diese Abstriche beim Opferschutz. „Um die Situation der betroffenen Arbeiter und Arbeiterinnen wirklich zu verbessern, müssen sie eine echte Möglichkeit bekommen, ihre Rechte auch vor deutschen Gerichten einzuklagen“, betonte die Oxfam-Wirtschaftsexpertin Franziska Humbert. „Die gegenwärtigen Beweisregeln sind eine zu große Hürde.“
Ähnlich äußerte sich die Umweltorganisation Germanwatch und kritisierte zudem, dass eine klare Verankerung der Verantwortung in der Leitungsebene von Unternehmen fehle. Sorgfaltspflichten von Unternehmen könnten nur dann wirksam sein, wenn sie auch von der Unternehmensleitung in Entscheidungen einbezogen würden, so Germanwatch.
Keine Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung und -zerstörung
Am Donnerstag nahmen 366 Abgeordnete in Brüssel den neuen Vorschlag des Rechtsausschusses an. 225 Parlamentarier stimmten dagegen, 38 enthielten sich. Die endgültige Fassung soll nun ab kommender Woche zwischen Parlament, Kommission und Rat ausgehandelt werden.
Die Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen soll sicherstellen, dass es auch bei Partnern und Zulieferern von in der EU tätigen Firmen nicht zu Kinderarbeit, Sklaverei, Ausbeutung von Arbeitskräften, Umweltverschmutzung und -zerstörung sowie Verlust der biologischen Vielfalt kommt. Eine Verschärfung liegt darin, dass das Gesetz für Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem Umsatz ab 40 Millionen Euro gelten soll; die EU-Kommission hatte 500 Mitarbeiter und einen Jahresumsatz von 150 Millionen Euro als Grenze vorgesehen. Auch bei den erfassten Wirtschaftssparten und dem Umfang der Rechenschaftspflicht wollen die Abgeordneten einen weiteren Rahmen ansetzen.
Wirtschaftsverbände warnen indessen vor schwerwiegenden Konsequenzen gerade für mittelständische Unternehmen. Durch die Vorgaben würden Unternehmen auch für Teile der Wertschöpfungskette haftbar gemacht, die jenseits ihres Einflussbereichs lägen, kritisierte der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der deutschen Textil- und Modeindustrie, Uwe Mazura, und plädierte für weniger Bürokratie. Auch der Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen warnte vor einer bürokratischen Überforderung, die die europäische Wirtschaftskraft gegenüber außereuropäischer Konkurrenz nachhaltig schädige.