Dresdens Grünes Gewölbe wird 300 Jahre alt. In der langen Zeit seines Bestehens hat das älteste Schatzkammermuseum der Welt einige Veränderungen erlebt.

Kokosnusspokal mit Szenen aus der Geschichte des Verlorenen Sohnes, 2. Viertel 16. Jahrhundert –Foto: Thiede
Dresden – Ab Juni 1723 ließ August der Starke (1670-1733) sein als „Grünes Gewölbe“ weltberühmt gewordenes Dresdner Schatzkammermuseum im Westflügel des 1549 bis 1552 erbauten Residenzschlosses einrichten. Bereits seit 1572 wird die Raumfolge im Erdgeschoss wegen ihrer damaligen kupfergrünen Bemalung „Grünes Gewölbe“ genannt.
In den 300 Jahren seines Bestehens hat das älteste Schatzkammermuseum der Welt einige Veränderungen erlebt. Etwa die während der Sudetenkrise des Jahres 1938 begonnene Auslagerung der Sammlungen und später auch der beweglichen Teile der Innenausstattung. Beim Bombenangriff im Februar 1945 gingen drei der Schatzkammerräume unter. Die anderen fünf blieben erhalten, doch ihre Wandvertäfelungen waren bis zum Ausbau 1962 der Witterung und Dieben ausgeliefert. Nach Kriegsende hatte die Sowjetische Trophäenkommission die Schätze des Grünen Gewölbes als Beute abtransportiert. Nach der Rückgabe 1958 waren ausgewählte Stücke im Ausstellungsgebäude „Albertinum“ zu sehen.
Die Wiederauferstehung des Grünen Gewölbes im Residenzschloss ist keine 20 Jahre her. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden eröffneten 2004 im ersten Obergeschoss des Westflügels das „Neue Grüne Gewölbe“. In den schnörkellos nüchternen Räumen steht das besondere Einzelstück im Blickpunkt – und das sind über 1000. Neben Kästchen, Schalen und Pokalen aus kostbaren Materialien treten die Helden der antiken Mythologie in Erscheinung. Eine attraktive Rolle spielen überdies sakrale Kabinettstücke in materiell wie handwerklich kostbarer Gestaltung. Im „Raum der Kunststücke“ begegnen wir etwa der kleinformatigen, aber großartigen Goldschmiedearbeit „David mit dem Haupt des Goliath“ (um 1700-1705). Davids Oberkörper besteht aus einer unregelmäßig gewachsenen Barockperle.
Das besondere Einzelstück steht im Blickpunkt
Nicht weit entfernt offenbart ein zunächst unscheinbarer Kirschkern erst durch die Lupe betrachtet seine besonderen Qualitäten. Auf dem Kirschkern hat ein virtuoser Bildschnitzer um 1600 die biblische Heilsgeschichte in vier Szenen zusammengefasst: Zu sehen sind der Sündenfall, die Arche Noah, die Aufrichtung der ehernen Schlange und die Kreuzigung Christi.
Neben Berühmtheiten wie dem von Augusts Hofjuwelier Johann Melchior Dinglinger geschaffenem vielteiligen „Goldenen Kaffeezeug“ (1697-1701, überarbeitet 1725) ziehen immer wieder die frommen Kunststücke die Aufmerksamkeit auf sich. Den von Jacob Zeller geschaffenen Elfenbeinpokal (1613) bekrönt der heftig bewegte Kampf des heiligen Georg mit dem Drachen. Etwa 100 Jahre später schuf Johann Heinrich Köhler die Elfenbeinstatuette des Moses, der auf dem mit Edelsteinen besetzten Berg Sinai steht. Die Außenwand eines Kokosnusspokals ist mit Reliefszenen aus der Geschichte des Verlorenen Sohnes ausgestattet (16. Jh.). Und kein Raum ist ohne Kruzifixe aus Materialien wie Bernstein, Bergkristall oder Elfenbein.
Im Erdgeschoss residiert in den angestammten Räumen und drei neu hinzugekommenen seit 2006 wieder das „Historische Grüne Gewölbe“. Auf das eigentliche Grüne Gewölbe stimmen uns die Kostbarkeiten des „Vorgewölbes“ ein. Hier finden wir die ältesten Stücke der Sammlung. Erlesene Elfenbeinkunst gehört dazu. Etwa die zwei Mitte des 11. Jahrhunderts in Konstantinopel geschaffenen Reliefs. Das obere zeigt den auferstandenen Christus. Er segnet Maria Magdalena und Maria Jacobi, die sich vor ihm niedergeworfen haben. Im unteren Relief steht Christus auf dem gefesselten Satan, und greift nach Adams Handgelenk, um ihn aus der Hölle zu ziehen. Auch Martin Luthers wird im Schatzkammermuseum gedacht. Ausgestellt ist der Siegelring mit eingeschnittener Lutherrose, den ihm 1530 Kurprinz Johann Friedrich von Sachsen schenkte. Der Ring gelangte über Luthers Urenkel in den Besitz des Kurfürsten Johann Georg I. Der Urenkel erhielt als Gegengabe ein Rittergut. Die sächsischen Kurfürsten betrachteten sich lange als Schirmherren des Luthertums. Kurfürst August der Starke aber konvertierte zum katholischen Glauben, um auch König von Polen-Litauen werden zu können.
Diamanten und Edelsteine
Im Historischen Grünen Gewölbe erzeugen mehr als 2000 Objekte in Verbindung mit dem originalen und rekonstruierten Innenausbau den Eindruck überwältigender Pracht. Im zinnoberrot lackierten Weißsilberzimmer fallen auf Konsolen und Tischen stehende Skulpturen auf, die Simon Troger (1693-1763) in der ungewöhnlichen Materialkombination von Elfenbein und gebeiztem Eichenholz geschaffen hat. Dramatisches Glanzlicht von Trogers Inszenierungen ist die Tischgruppe mit Abraham, der den Dolch erhebt, um Isaak zu opfern. Ein Engel schwebt herbei und gebietet ihm Einhalt. Der Opferhammel steht bereit.
Den ersten Höhepunkt des Rundgangs in der historischen Raumfolge aber bildet der Pretiosensaal. Verspiegelte Wände, die mit vergoldeten Zierleisten und Konsolen ausgestattet sind, vervielfachen die in großer Zahl ausgestellten Nautiluspokale, Bergkristallgefäße und Objekte aus Straußeneiern. August der Starke erwarb von seinem Hofemailleur Georg Friedrich Dinglinger das spektakulär großformatige Emaillebildnis der „Schmerzensreichen Maria“ und hängte es als eines der Hauptwerke seines Schatzkammermuseums im Pretiosensaal auf.
Überwältigender noch ist der Prunk des Juwelenzimmers. In Vitrinen glitzern vielteilige Garnituren aus Diamanten und Edelsteinen. Zu ihnen gehören Knöpfe, Schnallen, Spazierstöcke, Degen und Scheiden. Neben der Vitrine mit der Diamantrosengarnitur, der Brillantgarnitur und den Perlen der Königinnen informiert ein Text über den Einbruch vom 25. November 2019, bei dem die Diebe Teile dieser Garnituren raubten. Die meisten Stücke des Diebesgutes wurden im Dezember letzten Jahres sichergestellt. Am 16. Mai erhielten die Diebe mehrjährige Haftstrafen. Die sichergestellten Juwelen werden wieder ausgestellt, sobald das Gericht sie freigegeben hat.
Veit-Mario Thiede
Weitere Informationen auf www.skd.museum