Nach dem ersten Schmerzensgeldurteil eines staatlichen Gerichts zu sexualisierter Gewalt in der Kirche fordern Betroffene rasche Konsequenzen.
Köln – Nach dem ersten Schmerzensgeldurteil eines staatlichen Gerichts zu sexualisierter Gewalt in der Kirche fordern Betroffene rasche Konsequenzen. Das Kölner Gericht habe eine klare Richtung vorgegeben „zu deutlich höheren Zahlungen als das, was katholische Kirche bisher leistet“, sagte der Sprecher des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz, Johannes Norpoth, am Mittwoch dem Sender WDR5. Über 50 Prozent der bisherigen Zahlungen im Rahmen des Anerkennungssystems der Kirche hätten bei 25.000 Euro und weniger gelegen mit einem Schwerpunkt bis 10.000 Euro. „Damit dürfte sicherlich und muss eigentlich Schluss sein nach dem Kölner Urteil“, so der Beitratssprecher.
Nun hätten die Bischöfe und insbesondere die unabhängige Kommission für die Anerkennung des Leids Betroffener (UKA) „ein erstes Referenz- und Vergleichsurteil“, so Norpoth. „Ein solches Vergleichsurteil hat bisher gefehlt.“ Das Kölner Landgericht hatte am Dienstag entschieden, dass das Erzbistum Köln einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zahlen muss. Georg Menne (64) hatte von der Diözese 725.000 Euro Schmerzensgeld sowie 80.000 Euro für mögliche künftige Schäden verlangt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Richter hatte ausgeführt, Mennes Leben sei trotz des erlittenen Leides nicht zerstört, er habe geheiratet, Kinder bekommen und gearbeitet.
Dass das Gericht damit deutlich unter der Forderung des Klägers geblieben sei, sei aus Sicht eines Betroffenen „sehr schwer zu ertragen, wenngleich sicherlich juristisch nachvollziehbar“, sagte Norpoth. „Fakt ist aber: Es ist gestern zur höchsten Schmerzensgeldzuweisung eines deutschen Gerichts im Kontext sexualisierter Gewalt in der Kirche gekommen.“
Allerdings sei längst nicht jeder Betroffene sexualisierter Gewalt in der Lage, den weltlichen Klageweg zu gehen, da die Beweislast beim Kläger liege: „Sie müssen die Dinge beweisen, müssen sich quasi komplett offenlegen“, so der Beiratssprecher. „Im Kölner Verfahren hatten wir das Glück, dass die Beklagtenseite, also das Erzbistum, die Vorgänge und Taten von vorneherein bestätigt hat.“ Auch habe die Kirche auf die Einrede der Verjährung verhichtet.
Ein solcher Prozess bedeute „eine enorme psychische Belastung“ für den Kläger, sagte Norpoth. „Und all die, die das nicht können, nicht mal im privaten, im eigenen geschlossenen Raum können, für die wird das nie ein Weg sein, weil sie nicht in der Lage sind, ihre Rechte aufgrund der hohen psychischen Belastung geltend zu machen.“
Dagegen habe das kirchliche Anerkennungssystem den Vorteil, dass es auf diese Beweisführung verzichtet. Das Kölner Urteil müsse jetzt für die Bischofskonferenz und die unabhängige Kommission Anlass sein, ihre Spruchpraxis anzupassen, damit auch Menschen, die den Klageweg aufgrund durch Missbrauch erlittener Traumata nicht gehen können, auch entsprechende Zahlungen erhalten können. „Da muss es jetzt endlich eine Kompromisslösung geben“, forderte Norpoth.