Viele Fragezeichen hinter Zukunft von Erzbischof Gänswein

Über Deutschland hinaus rätseln Fachleute über die Zukunft des früheren Privatsekretärs von Benedikt XVI. – und darüber, was Papst Franziskus bewegt, ihn nach Freiburg zu schicken. Einen konkreten Auftrag gibt es nicht.
Über Deutschland hinaus rätseln Fachleute über die Zukunft des früheren Privatsekretärs von Benedikt XVI. - und darüber, was Papst Franziskus bewegt, ihn nach Freiburg zu schicken. Einen konkreten Auftrag gibt es nicht.

Georg Gänswein –Foto: © Marco Iacobucci | Dreamstime.com

Die Spekulationen um die Rückkehr des ehemaligen Papstsekretärs Georg Gänswein reißen nicht ab. Das liegt auch daran, dass der Status des aus dem Vatikan weggeschickten Erzbischofs weiterhin ungeklärt ist. Papst Franziskus hat “vorläufig” (“per il momento”) entschieden, er müsse in sein Heimatbistum nach Freiburg zurückkehren. Unbestätigt ist bislang, dass er in einer Einliegerwohnung des Priesterseminars wohnen soll, unweit vom Freiburger Erzbischof Stephan Burger. Manche Beobachter werten das “vorläufig” als Andeutung, dass es sich doch nur um eine Zwischenstation handeln könnte. Und der ansonsten so medienaffine Gänswein selbst reagiert auf Anfragen derzeit nicht.

Gänswein wird nicht Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz

Klar ist, dass der aus dem badischen Riedern am Wald stammende Bischof nicht Mitglied der Deutschen Bischofskonferenz wird. Deren Statut regelt, dass neben den Diözesanbischöfen, Administratoren und Weihbischöfen auch Bischöfe einen Sitz in der Konferenz erhalten, die ein besonderes vom “Apostolischen Stuhl oder von der Deutschen Bischofskonferenz übertragenes Amt im Konferenzgebiet bekleiden”. Doch einen solchen Auftrag enthält die nüchterne Abschiedsmitteilung des Vatikans vom 15. Juni nicht.

Zuvor wurde unter anderem spekuliert, der Papst könnte den langgedienten Kurienmitarbeiter, der über 20 Jahre lang Kardinal Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI. gedient hatte, einen Posten im diplomatischen Corps anbieten – etwa als Papstbotschafter in Costa Rica. Auch eine Berufung auf den Bischofssitz in Vaduz/Liechtenstein wurde ins Gespräch gebracht, da der dortige Bischof noch in diesem Sommer altersbedingt seinen Rücktritt anbieten muss. Römischen Quellen zufolge schwebte dem Papst jedoch eher eine Beschäftigung Gänsweins als Hochschullehrer für Kirchenrecht vor; einen Weggang nach Italien oder Deutschland soll er ihm zudem freigestellt haben. Fest steht, dass der Papst den Privatsekretär seines Vorgängers nicht mehr im Vatikan haben will, obwohl Gänswein zuletzt – auch mit beträchtlichen Eigenmitteln – eine Dienstwohnung renoviert haben soll.

Doch auch die Privatsekretäre früherer Päpste wurden nach ihrem Dienst außerhalb des Kirchenstaates beschäftigt. Allerdings erhielten sie zugleich meist Bischofssitze. So wurde etwa der Sekretär von Johannes Paul II., Stanislaw Dziwisz, Erzbischof von Krakau. Doch hatte Gänswein zuletzt mit Buchveröffentlichungen und Interviews zum Tod von Benedikt XVI. Kritik auf sich gezogen. Einflussreiche Kardinäle wie Luxemburgs Erzbischof Jean-Claude Hollerich rügten ihn öffentlich.

Spekulationen und Gerüchte befeuert

Zurzeit überbieten sich Beobachter mit der Deutung der Entlassung des bald 67-jährigen aus dem Vatikan. So deutet das US-Magazin “Crux” die Entscheidung auch als Signal an die katholische Kirche in Deutschland, die in turbulenten Zeiten einen mediengewandten Verteidiger des Erbes von Benedikt XVI. zurückerhalte. Dagegen wertet der italienische Journalist Andrea Gagliarducci die Entfernung aus dem Vatikan als zusätzliche Demütigung und auch als Signal an andere dort, die mit dem derzeitigen Papst hadern. So habe Franziskus sogar die Beendigung von Gänsweins Dienst rückdatiert auf den 28. Februar 2023. Damit seien gegebenenfalls die Gehaltsbezüge seit März zurückzufordern.

Bisher alles Spekulationen und Gerüchte. Und damit irgendwie auch passend zu “Don Giorgio”, der schon früher als “George Clooney des Vatikans”, als sonnengebräunter Tennisspieler, als gerngesehener Interviewpartner der “Bunte”, als Gast bei Rennfahrerlegende Michael Schumacher und nicht zuletzt als Autor immer wieder für Schlagzeilen sorgte. Und dessen Erwähnung regelmäßig ein Medienecho garantiert, was anderen immer schwerer fällt, nicht zuletzt der reformeifrigen Mehrheit der Bischofskonferenz und des Zentralkomitees des deutschen Katholiken (ZdK) oder auch der konservativen Minderheit beim Synodalen Weg.

Innerkirchlich positioniert sich Gänswein weiterhin als Kritiker vieler Reformvorhaben, insbesondere des deutschen Reformprojekts Synodaler Weg. Zugleich hat er mit seinem Buchtitel “Vom Nine-Eleven unseres Glaubens” mit einem unmissverständlichen Vergleich verdeutlicht, wie er den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche deutet. Gänswein hat Ecken und Kanten. Das macht ihn offenbar weiter für viele interessant. Auch ohne Sitz und Stimme in der Deutschen Bischofskonferenz.

Von Simon Kajan (KNA)