Die Geschichtswissenschaft hat aus Sicht des britischen Historikers Peter Frankopan den Klimawandel zu spät als Thema aufgegriffen.
Hamburg – Die Geschichtswissenschaft hat aus Sicht des britischen Historikers Peter Frankopan den Klimawandel zu spät als Thema aufgegriffen. „Wir waren zu sehr damit beschäftigt, Geschichten von englischen Königsgattinnen, großen Führern und wichtigen Schlachten zu erzählen und zu wenig über Stürme, Fluten, Dürreperioden zu berichten“, sagte Frankopan im Interview des „Spiegels“ (Samstag). „Der Blick auf die zahlreichen verpassten Gelegenheiten schmerzt mich sehr.“
Laut dem Globalhistoriker, der jüngst ein Buch über den Einfluss des Klimas auf die Menschheitsgeschichte veröffentlicht hat, konnten etwa Völker wie die Mongolen unter Dschingis Khan im 13. Jahrhundert und der Prophet Mohammed von Klimaveränderungen profitieren. Bei diesem sei ein Vulkanausbruch maßgeblich gewesen. „Infolge von Eruptionen im 6. Jahrhundert nach Christus sank die Temperatur, das kühle Wetter begünstigte die Ausbreitung von Ratten und Flöhen.“ Der folgende Ausbruch der Pest habe die Bevölkerung in Bedrängnis gebracht. „Von dieser Krisenstimmung profitierten Mohammed und seine Anhänger mit ihren regelmäßigen Warnungen vor dem unmittelbar bevorstehenden Weltuntergang.“
Generell zeige die Geschichte, dass stabile Klimaverhältnisse für vorindustrielle Zivilisationen ein maßgeblicher „Schlüssel zum Erfolg“ gewesen seien, sagte Frankopan. Jedoch sei das Klima nie allein verantwortlich für den Niedergang von Zivilisationen oder die Verfolgung einzelner Gruppen. „Es wirkte eher wie ein Brandbeschleuniger, der bestehende Probleme verstärkte. Im Nachteil waren hierbei stets hierarchisch zentralisierte politische Systeme mit großen Städten und einem starken sozialen Gefälle, Gesellschaften, die Natur wie Menschen aussaugten und ihre Elite nicht einhegten.“
Der Blick auf die Geschichte des Klimas zeige zwar, „wie verletzlich wir sind, wie verletzlich Ökosysteme sind – und dass Kipppunkte das Leben schnell dramatisch verändern können“, so der Historiker. Es zeige sich aber auch, dass die Menschen „recht gut darin sind, Probleme zu erkennen und anzugehen“.