Sozialforscher: Gesellschaft braucht dringend Zuversicht

Der Sozialwissenschaftler und Jugendforscher Klaus Hurrelmann stellt im Nachgang der Corona-Pandemie ein kollektives Stimmungstief fest.

Der Sozialwissenschaftler und Jugendforscher Klaus Hurrelmann stellt im Nachgang der Corona-Pandemie ein kollektives Stimmungstief über Altersgrenzen hinweg fest – und warnt vor Auswirkungen auf die Demokratie. „Die Mehrheit der Deutschen erwartet nichts Gutes mehr von der Zukunft. Wir bräuchten dringend Impulse der Zuversicht“, sagte Hurrelmann der Berliner Zeitung (Donnerstag). „Menschen müssen die Welt verstehen, in der sie leben. Und sie müssen sie als gestaltbar wahrnehmen. So erscheint uns unser Leben sinnhaft.“

Die Politik müsse der Bevölkerung klarmachen, dass sie an machbaren Lösungen arbeitet, so der Sozialwissenschaftler der Berliner Hertie-School. Auch müsse sie zum Mitdenken und Mitmachen motivieren. Menschen wünschten sich in der gegenwärtigen großen Verunsicherung jemanden, der ihnen die Krisen verständlich erkläre, weil sie sonst nicht mehr weiterkämen. „Die AfD hat Erfolg, weil sie Probleme oft einfach leugnet“, so Hurrelmann. „Alles kann so bleiben, wie es vor den Krisen war. Das zu hören, ist für viele enorm erleichternd.“

Die Pandemie habe die Gesellschaft sehr viel Kraft gekostet, sagte der Sozialwissenschaftler. Aber tatsächlich werde über das Erlebte wenig gesprochen; „wir sind in einer kollektiven Verdrängungsphase“. Um mit der nötigen Aufarbeitung zu beginnen, ließen die Umstände jedoch keine Zeit, so Hurrelmann: „Die Ohnmacht setzt sich fort. Wir bleiben im Ausnahmemodus, und das beeinträchtigt inzwischen die Basis für mentale Gesundheit.“ Die Folgen ließen sich beispielsweise an einer Zunahme psychischer Erkrankungen ablesen.