Ausstellungsmacher kritisiert Überbietungslogik bei documenta

Der Ausstellungsmacher Roger M. Buergel kritisiert eine Überbietungslogik bei der Weltkunstausstellung documenta in Kassel.

Der Ausstellungsmacher Roger M. Buergel kritisiert eine Überbietungslogik bei der Weltkunstausstellung documenta in Kassel. Sie wolle immer “noch innovativer, noch politischer, noch radikaler” sein und immer mehr Besucher anziehen, sagte er im Interview der Welt (Freitag). “Es ist toll, wenn eine Ausstellung politische Effekte hat, aber dass sie selber Politik sein will, ist ein komplettes Missverständnis”, betonte er. Es müsse eine ethische Grenze geben, die konkret etwa Rassismus und Antisemitismus betreffe.

Buergel sprach sich gegen eine umfassende Strukturreform der documenta mit mehr Einfluss der Politik beispielsweise auf die Besetzung der künstlerischen Leitung aus. “Politische Einflussnahme im Vorhinein läuft, da bin ich mir relativ sicher, auf Risikominimierung hinaus. Die nächste Ausstellung wäre dann vielleicht politisch genehm, aber zahnlos und irrelevant”, sagte er und betonte: “Man muss aushalten, dass Kunst auch etwas produziert, das einem nicht gefällt.”

Die Verantwortlichen müssten eine kontroverse öffentliche Debatte dann allerdings auch steuern. “Manchmal ist es besser, einen Skandal zu haben, der auch etwas über die Gegenwart erzählt, wenn man den Ball – also die Energie und die Aufmerksamkeit – aufnimmt, um die Lage zu gestalten. Besser jedenfalls, als wenn man eine graue Maus zum Kurator wählt, an der niemand Anstoß nimmt”, sagte Buergel.

Die Verantwortlichen der zurückliegenden documenta hätten das nicht getan. Buergel spricht mit Blick auf die documenta 15 im Jahr 2022 von einem schwarzem Loch, Schweigen und Verantwortungslosigkeit. Die vergangene Weltkunstausstellung war wegen Antisemitismus, aber auch wegen des Handelns der künstlerischen Leitung sowie der Geschäftsführung, dem Krisenmanagement und der Kommunikation stark kritisiert worden.

Vor wenigen Tagen traten zudem erst zwei Mitglieder und anschließend die ganze Findungskommission zurück, die die künstlerische Leitung für die nächste Schau 2027 hätten aussuchen sollen. Mit anderen hatte Buergel Mitglieder für diese Kommission vorgeschlagen. Er verantwortete zudem 2007 als künstlerischer Leiter die Documenta 12.

kna