Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer kritisiert ein mangelhaftes Gedenken an die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia.
Hamburg – Der Hamburger Historiker Jürgen Zimmerer kritisiert ein mangelhaftes Gedenken an die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia. 120 Jahre nach Beginn des Völkermords an den Herero und Nama in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika gebe es weder ein zentrales Denkmal noch einen Ort der wissenschaftlichen Aufarbeitung und des historischen Lernens, sagte Zimmerer am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). „In Hamburg, Drehscheibe der Logistik für den Völkermord, werden am Baakenhafen, von wo die Schiffe nach Namibia abfuhren, Luxuswohnungen gebaut, an den Genozid erinnert nichts.“
Namibia war von 1884 bis 1915 deutsche Kolonie. Zwischen 1904 und 1908 töteten deutsche Truppen unter Lothar von Trotha (1848-1920) Zehntausende Herero und Nama. Im Januar 1904 hatten zunächst die Herero gegen Misshandlungen und großflächigen Landraub der Deutschen rebelliert.
In einer 2021 parpahierten „Gemeinsamen Erklärung“ verständigten sich Deutschland und Namibia darauf, die Ereignisse „aus heutiger Perspektive“ als Völkermord zu bezeichnen. In den kommenden 30 Jahren sollen rund 1,1 Milliarden Euro in Wiederaufbau- und Entwicklungsprojekte in Namibia fließen. Bislang allerdings fehlt die Zustimmung des namibischen Parlaments. Ein Grund ist, dass es in dem südafrikanischen Land heftige Debatte über das Zustandekommen der Erklärung gibt.
Historiker Zimmerer warf der Bundesregierung Versagen vor. „Weder gibt es eine Aussöhnung mit den Herero und Nama, noch eine deutsche Entschuldigung.“ Auch der Bundestag habe den Genozid noch nicht offiziell anerkannt, anders als im Fall des Völkermords der Osmanen an den Armeniern im damaligen Osmanischen Reich, im Fall des Holodomor – der in den 1930er-Jahren durch Misswirtschaft und Zwangsmaßnahmen des Stalin-Regimes herbeigeführten Hungersnot in der Ukraine – oder der Jesiden im Irak.
Damit bestärke der Bundestag den Eindruck, „dass er besonders eifrig und schnell dabei ist, Menschheitsverbrechen anderer anzuerkennen, vor allem, wenn es in die politische Großwetterlage passt“, so Zimmerer. „So wird Vergangenheitsaufarbeitung unglaubwürdig und zur politischen Waffe.“