Historiker verteidigt Claudia Roths Konzept zu Erinnerungskultur

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Als “großen Wurf” bezeichnet der Hamburger Historiker und Kolonialismus-Experte Jürgen Zimmerer die Überlegungen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth zur Erinnerungskultur.
Historiker verteidigt Claudia Roths Konzept zu Erinnerungskultur

Claudia Roth –Foto: Kristian Schuller

Als “großen Wurf” bezeichnet der Hamburger Historiker und Kolonialismus-Experte Jürgen Zimmerer die Überlegungen von Kulturstaatsministerin Claudia Roth zur Erinnerungskultur. Das von der Grünen-Politikerin im Februar vorgelegte Konzept eröffne “den längst überfälligen Raum für Kolonial- und Migrationsgeschichte”, sagte Zimmerer am Sonntag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

In dem 43 Seiten umfassenden Papier, das der KNA vorliegt, geht es nicht nur um das Gedenken an NS-Zeit, Schoah und die deutsche Teilung. Daneben identifiziert Roth den Kolonialismus, die Einwanderungsgesellschaft und die Kultur der Demokratie als zusätzliche Pfeiler der Erinnerungskultur.

Vertreter der bestehenden Gedenkstätten, die an das Unrecht in der NS-Zeit und während der DDR erinnern, üben seit Wochen Kritik an dem Konzept. “Wir sehen eine Gefahr in dem Nebeneinanderstellen von Verbrechenskomplexen, die dafür doch zu unterschiedlich sind”, sagte etwa der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten in Deutschland, Oliver von Wrochem, vor wenigen Tagen dem “Spiegel”. Es gelte zu trennen “zwischen Formen der Gewalt in gesamtstaatlicher Verantwortung und Formen des Terrors von Gruppen oder Individuen”.

Der Historiker Zimmerer betonte, die Politik dürfe die erinnerungspolitischen Akteure nicht gegeneinander ausspielen und in einen Kampf um Finanzmittel treiben. Das Budget der NS-Gedenkstätten etwa dürfe nicht angerührt werden. Zu zentral sei das Menschheitsverbrechen des Holocaust und die kritische Auseinandersetzung damit für das Selbstverständnis des modernen Deutschland.

Zugleich sei es aber an der Zeit, in angemessener Weise an die Hunderttausenden Toten in den deutschen Kolonien zu erinnern oder an die Erfahrungen jener, die im Lauf der vergangenen Jahrzehnte nach Deutschland einwanderten. Für diese neuen Aspekte der Erinnerungskultur biete die Aufarbeitung des DDR-Unrechts einen guten Vergleichspunkt. “Auf dieses – finanzielle – Niveau sollten die anderen Säulen aufwachsen. Das muss nun garantiert werden”, fordert Zimmerer.

Berichten zufolge plant das Kulturstaatsministerium im Mai einen Runden Tisch zur künftigen Ausgestaltung der Erinnerungskultur. Zimmerer bedauerte, dass dazu allem Anschein nach nur Vertreter bereits existierender Gedenkstätten eingeladen seien. Nötig sei stattdessen ein breiter Partizipationsprozess, an dem etwa auch Ansprechpartner für die Aufarbeitung von Kolonialismus beteiligt seien.

kna