Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Freiburg hat am Mittwoch eine detaillierte Analyse vorgelegt.
Freiburg – Unterstützung für Betroffene sexualisierter Gewalt, Kampf gegen missbrauchsbegünstigende Strukturen sowie mehr Transparenz und Kontrolle bei der Aufarbeitung: Die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch im Erzbistum Freiburg hat am Mittwoch eine detaillierte Analyse vorgelegt. Darin würdigen die Expertinnen und Experten die Aufarbeitung und Betroffenenunterstützung. Sie sehen aber zugleich weiterhin auf vielen Feldern großen Handlungsbedarf. Kirche sei für Minderjährige kein sicherer Ort, solange „missbrauchsbegünstigende systemische Faktoren wirksam bleiben“, heißt es in dem 38-seitigen Bericht.
Die Bistumsleitung kündigte an, die Empfehlungen genau zu prüfen. Ziel sei es, „noch besser bei Aufarbeitung, Prävention und Intervention zu werden“, sagte der Verwaltungschef des Bistums, Generalvikar Christoph Neubrand. „Betroffene müssen im Fokus stehen, ihnen gilt unser Engagement. Kirche muss ein sicherer Ort für alle sein.“ Zu den konkreten Forderungen des Berichts könne man sich aber erst äußern, wenn diese eingehend analysiert seien.
Kritik übt die vom Bistum unabhängige Kommission beispielsweise an einem religiös überhöhten Priesterbild, falsch verstandenen Gehorsamsversprechen und an streng hierarchisch organisierten Entscheidungswegen. Negativ wirke sich auch aus, dass Frauen in kirchlichen Ämtern und Leitungsgremien weitgehend fehlten.
Kein nachhaltiger Widerstand
All diese Faktoren hätten dazu beigetragen, dass es über Jahre keinen nachhaltigen Widerstand gegeben habe gegen einen Umgang mit sexuellem Missbrauch, der Recht ignoriert, die Institution geschützt und die Opfer ausgeblendet habe – weder bei den Leitungsverantwortlichen noch auf lokaler Ebene. Warum gerade auch in den Pfarreien so viele wegsahen, wenn Kinder missbraucht wurden, dazu ist laut Kommission eine eigene wissenschaftliche Studie nötig.
Die Experten listen konkrete Handlungsempfehlungen für verschiedene Bereiche des kirchlichen Lebens und bei der Ausbildung von Priestern und Seelsorgern auf. So schlagen sie vor, junge Erwachsene nicht mehr direkt nach dem Abitur, sondern erst nach zwei bis drei Jahren Studium für die Priesterausbildung zuzulassen. Anders als in der Vergangenheit müsse bei der Seelsorgerausbildung offen über Sexualität gesprochen werden. Homosexualität werde vielfach weiterhin tabuisiert. Das müsse enden, fordert die Kommission. Auch sollten angehende Priester nicht mehr „abgeschottet“ in Priesterseminaren wohnen.
Abschließende Regelung auf bundesweiter Ebene
Die Kommission fordert weiter, auf bundesweiter Ebene zu einer abschließenden finanziellen Regelung von kirchlichen Anerkennungsleistungen für Missbrauchsbetroffene zu kommen. Die seit Jahren andauernden Debatten um die Zahlungen seien für die Betroffenen extrem belastend. Im Erzbistum sei es wichtig, Betroffene weiter dabei zu unterstützen, Therapieangebote zu erhalten. Um die Aufarbeitung transparenter zu machen, müsse die kirchliche Arbeit extern kontrolliert werden.
Die Kommission besteht seit 2021. Beteiligt sind Mediziner, Juristen, Psychotherapeuten sowie eine Betroffenenvertreterin. Vorsitzender ist der Freiburger Theologe Magnus Striet. Einen ersten Bericht hatte eine Untergruppe bereits im April 2023 veröffentlicht. Darin war von mindestens 540 Missbrauchsopfern und mehr als 250 nachweislich schuldigen oder des Missbrauchs beschuldigten Priestern seit 1950 die Rede. Die Studie dokumentierte schweres Fehlverhalten im Umgang mit den Fällen vor allem bei den früheren Freiburger Erzbischöfen Oskar Saier (1978-2002) und Robert Zollitsch (2003-2013).
Die Kommission hält in ihrem Bericht aber auch fest, dass das Erzbistum in den vergangenen Jahren viel für Betroffene, Aufarbeitung und Prävention erreicht habe: „Die Präventionsmaßnahmen gegen sexuelle Übergriffe sind in der Erzdiözese Freiburg inzwischen
intensiv ausgebaut und dürfen als vorbildlich gelten.“