Vergangenes Wochenende waren sie in Gladbeck. Auf Wohnungssuche. All das im nahen Umfeld von St. Marien, Brauck. Die Rede ist von drei Amigonianerbrüdern aus der in Spanien gegründeten franziskanischen Gemeinschaft des Louis Amigo. Eine Neugründung einer Ordensniederlassung in Zeiten, wo andere Gemeinschaften eher altern? Der Besuch in Gladbeck hatte seinen Grund. ,,Wir wollen Neues beginnen, auch wenn wir uns schweren Herzens in Köln verabschieden“, antwortet Pater Ralf Winterberg, Oberer der Kölner Gemeinschaft.

Sie freuen sich auf neue Erfahrungen in Gladbeck (v.l.): Die Patres. Juan Latorre, Gisbert Lordick und Ralf Winterberg. (Foto: privat)
„Noch bevor das aus Altersgründen nötig ist“, so Winterberg, werde die für ihre Jugend-, Sozial- und Pfarreiarbeit in Köln anerkannte Amigonianer-Niederlassung dort geschlossen. Zwei Jahre lang hatten Pater Ralf und seine beiden Mitbrüder einen solchen Schritt geplant und seit Sommer 2018 dann mit dem Bistum Essen besprochen. In Gelsenkirchen und dann auch Brauck werden dann ab dem 1. Juli drei unter 50-Jährige und drei fast 70- und 75-jährige Ordensmänner in einer Gemeinschaft mit zwei Standorten leben.
Mitbürger in Fahrradnähe
„In Gladbeck wollen wir verstärkt unser eigentliches Ordensleben in Gebet, Mitbrüderlichkeit und sozialem Einsatz für benachteiligte Kinder und Jugendliche sowie für ihre Familien pflegen“, sagt Pater Ralf. Bei den Menschen in Brauck und in ihrem Alltag wollen die Drei dann präsent sein. Auch die im Ruhrbistum bekannten Gelsenkirchener Mitbrüder leben dort in ihrer Sozialwohnung, stehen für ihren Jugendtreff ein und sind hier für Jugendliche wie Familien bei Gefährdung durch Sucht, Armut, Erziehungs- oder anderen Problemen da. Für die Gladbecker kann Pater Ralf noch keine konkreten Pläne des Stadteil-Engagements nennen. „Von Brauck aus sind unsere Gelsenkirchener Mitbrüder in Fahrradnähe.“
Alle sechs Ordensmänner wollen an beiden Standorten zusammensein, um sich und die älteren in ihrer Gemeinschaft und in ihrer Stadtviertel-Arbeit zu stützen. Im internationalsten und sozial herausfordernden Stadtteil Gladbecks gehe es dann zuerst um eins: „Wir werden den Menschen zuhören, vielleicht Kontakte mit Schulen aufnehmen. Über Schüler, die in Brauck Hilfe brauchen, finden wir, wo sich das ergibt, dann auch Kontakt zu Familien.“
Als Ordensleute die Jugendarbeit und die Zukunftskirche fördern
Im Bistum Essen und in der Lamberti-Pfarrei sind die Noch-Kölner willkommen. Seit Juli gab es Gespräche mit dem Essener Personaldezernat und der Seelsorge im Generalvikariat über die neue Niederlassung. „Wir haben im Gespräch Rückendeckung auch des Bischofs und eine gute gemeinsame Wellenlänge gespürt.“ Unbestritten von beiden Seiten war von Anfang an, dass Pater Ralf, Pater Gisbert und Pater Juan keine Pastoren-Stelle in St. Lamberti oder Brauck übernehmen. „In Brauck freue ich mich auf aktive Laien und Katholiken mit ihrer Gemeinde, die im Aufbruch ist“, so Pater Ralf. Das Projekt der dort entstehenden „Zukunftskirche“ ist ihm sympathisch. Aktive aus der alten Marien-Gemeinde werden am neuen Ortsmittelpunkt mit neuen Ideen traditionelle, kirchenferne und bewusst alle sozialen Gruppen ansprechen.
Für Ulli Völker, einen Sprecher der „Zukunftskirche“ an St. Marien , bekommt das offene Projekt für den Stadtteil mit der Entscheidung der Amigonianer einen neuen Stellenwert. Ausstellungen, Kabarett, Gottesdienste, die abends illuminierte Kirche und der bevorstehende Einzug des „Internationalen Mädchenzentrums“ rund um St. Marien zeigen, dass hier neues kirchliches Leben – natürlich ohne einen fest verantwortlichen Seelsorger vor Ort und begleitet vom verantwortlichen Propst Müller – aufbrechen kann. Für die Organisation des vor fast zehn Jahren in seinen ersten Anfängen gestarteten Projekts sind rund um die Kirche der Kulturausschuss, das Projektteam und ein Förderverein mit 80 Mitgliedern verantwortlich.
Zukunftskirche
Die, die Wohnung in Brauck suchen, finden dort auch mit zwei Schulen und der „Zukunftskirche“ ein zum Ordensprofil passendes Umfeld vor. Ulli Völker umschreibt das: „Als Zukunftskirche wollen wir für die, die hier immer da waren, für Menschen mit Sehnsucht und die, die Hilfe und Rat brauchen, offen sein. Die Amigonianer als Ordensleute und Streetworker sind in Brauck willkommen.“
Pater Ralf bestätigt seine Einschätzung. „In Köln verlassen wir unsere Arbeit in einer 11000 Katholiken-Pfarrei mit 800 engagierten Ehrenamtlichen und sind überzeugt, dass hier vieles weitergeht. An zunehmend vielen Orten – vielleicht auch in Brauck – gilt, dass die Volkskirche jetzt durch Projektkirchen abgelöst sind.“ Mit köllschem Schalk im Nacken ergänzt der Ordensmann und Sozialpädagoge lobend: „Katholiken und ihr Bischof haben mancherorts Beachtliches angestoßen. Was der Ruhrbischof von oben entwickelt, wollen wir mit vielem an der Basis umsetzen.“