Der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf erwartet für 2020 einen Run von Historikern auf die Vatikan-Akten aus der Amtszeit von Papst Pius XII. (1939-1958). Es sei zu hoffen, dass der Vatikan sich auch wirklich zu vollständiger Offenheit verpflichte, schreibt Wolf in einem Beitrag für die „Zeit“-Beilage „Christ und Welt“. „Auf keinen Fall darf der angebliche Schutz von Persönlichkeitsrechten vorgeschoben werden, um der angekündigten neuen vatikanischen Transparenz dann doch schnell wieder enge Grenzen zu setzen.“
Der Priester und Historiker betonte, es seien nicht nur Erkenntnisse zum Verhalten des Pacelli-Papstes und der katholischen Kirche zu Schoah und Zweitem Weltkrieg zu erwarten. „Auf schnelle und einfache Antworten darf man freilich angesichts der Masse und Komplexität des Materials nicht hoffen.“
Es könne auch wichtige Hinweise auf Fragen geben, welche Rolle Pius XII. etwa bei der Gründung der katholischen Partei „Democrazia Cristiana“ in Italien und der Unionsparteien in Deutschland spielte, welchen Einfluss er auf die Gründung der Europäischen Union nahm und welche Bedeutung der vom Papst propagierte christliche Abendlandsgedanke für die katholischen Politiker Robert Schuman, Alcide De Gasperi und Konrad Adenauer hatte.
Papst Franziskus hatte Anfang März angekündigt, die Dokumente dieses Pontifikats der Vatikanarchive ab dem 2. März 2020, dem 81. Jahrestag der Wahl Eugenio Pacellis zu Papst Pius XII., zugänglich zu machen. Dies wird von der Forschung seit Jahren verlangt, um Aufschluss über die Haltung von Pius XII. zu bekommen.