Die evangelischen Landeskirchen und die katholischen Bistümer in Deutschland müssen nach Auffassung des Mainzer Bischofs Peter Kohlgraf die anstehenden Veränderungen und Umstrukturierungen ökumenisch angehen. „Die Ökumene braucht in der anstehenden Neuorientierung – gerade mit Blick auf den Ökumenischen Kirchentag 2021 und auch für die Jahre danach – einen festen Ort in den Prozessen, die nach neuen Formen kirchlichen Lebens suchen“, sagte Kohlgraf am Dienstag beim Sommerempfang des Konfessionskundlichen Instituts Bensheim.
Das teilweise immer noch gewollte Nebeneinander müsse „durch eine institutionalisierte Ökumene aufgesprengt werden“, so der Bischof in seinem Grußwort. Der Wandel sei nicht nur eine Reaktion auf äußere Faktoren wie den Rückgang der Kirchenmitgliederzahlen und „einen gewissen Bedeutungsverlust der Religion“, sondern zugleich auch „Antwort auf eine geistliche Herausforderung“, so Kohlgraf. „Eine Erneuerung aus dem Evangelium steht an – so wie sie eigentlich immer anstünde.“ Ausdrücklich bezog der Bischof auch das Gespräch mit der Orthodoxie in seine Überlegungen ein. Sie bringe „in all unsere Diskussionen und unser Ringen wertvolle Schätze ein“.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, äußerte in seinem Beitrag die Hoffnung, dass die Erfahrungen des „ökumenisch gefeierten Reformationsjubiläums und -gedenkens“ 2017 zu einem Signal des ökumenischen Aufbruchs würden. „Das erste ist der Schmerz über die noch vorhandene Trennung zwischen den Kirchen, den wir in dem Maße noch tiefer gespürt haben, in dem wir menschlich zusammengewachsen sind. Und das zweite ist die Spirale der Wertschätzung, die in dem Maße entstanden ist, in dem wir den jeweils anderen in seinen Stärken neu entdeckt haben“, sagte der bayerische Landesbischof.
Mit Blick auf den ökumenischen Kirchentag in Frankfurt 2021 „träume“ er davon, so Bedford-Strohm, dass die Kirchen so große Fortschritte machten, „dass auch eine wechselseitige eucharistische Gastfreundschaft möglich wird“. Zudem gelte es, sich in den kommenden Jahren noch mehr von der bilateralen hin zur multilateralen Ökumene zu bewegen. In einer „Vision für die Zukunft“ nannte er als weitere Perspektive, dass im Jahr 2030 zum 500-Jahr-Jubiläum des Augsburger Bekenntnisses der Reformation „die sichtbare Einheit der Kirchen in versöhnter Verschiedenheit da ist und wir gemeinsam zum Mahl am Tisch des Herrn versammelt sind“. Er schloss mit den Worten: „Mit weniger sollten wir uns nicht zufriedengeben!“
Das Konfessionskundliche Institut ist nach eigenen Angaben die größte ökumenewissenschaftliche Forschungsstelle im deutschsprachigen evangelischen Bereich mit Sitz in Bensheim. Träger ist der Evangelische Bund, ein Arbeitswerk der EKD.