Jahrzehnte des Konflikts haben das Vertrauen in Mosambik untergraben und die politische Kultur zerstört. Der Papst will die junge Generation für einen Neuanfang motivieren.
„Reconciliacao, reconciliacao“, skandieren die jungen Menschen minutenlang, als Papst Franziskus im Maxaquene-Sportpalast eintrifft: “Versöhnung, Versöhnung”. Der Ruf ist einstudiert, kommt aber jedenfalls aus voller Kehle. Die Halle bebt. Die Jugendlichen in Mosambiks Hauptstadt Maputo, versammelt zu einer interreligiösen Begegnung mit dem katholischen Kirchenoberhaupt, begrüßen Franziskus mit dem Wort, das er ihnen als Botschaft mitbringen wollte.
Keiner der rund 5.000 jungen Menschen in der Halle hat das Land wirklich ausgesöhnt erlebt. Nach einer 16-jährigen Schlächterei im Bürgerkrieg makelten lokale Kirchenvertreter und die Gemeinschaft Sant’Egidio 1992 einen Friedensvertrag zwischen den verfeindeten Bewegungen Frelimo und Renamo aus, der sich aber immer wieder als brüchig erwies.
Gut einen Monat ist es her, da schlossen Präsident Filipe Nyusi von der Frelimo-Partei und der Chef der bewaffneten Opposition Renamo, Ossufo Momade, ein neues Abkommen über den Verzicht auf Gewalt und eine Entwaffnung der Milizen. Jetzt erhofft Papst Franziskus “eine neue Zeit des Friedens und der Versöhnung”. Der Krieg ist nach Worten des Papstes die Ursache vieler Übel, an denen das Land, eines der ärmsten der Welt, weiter leidet, etwa Defizite im Bildungs- und Gesundheitswesen, bei der Ernährung und Erwerbsmöglichkeiten.
Der Friedensappell war der Grundton seiner ersten Rede in Mosambik, am Donnerstag im Präsidentenpalast. Wohl auch um mit Blick auf die Wahlen Mitte Oktober Unparteilichkeit zu wahren, begrüßte der Papst eigens Oppositionschef Momade und den Leiter der drittstärksten Partei MDM, Daviz Simango. Zugleich richtete er eine Mahnung an die Regierenden gleich welcher Partei: Nur Chancengleichheit für Randgebiete könne explosiver Aggression den Nährboden entziehen.
In Maputo regiert seit Jahrzehnten Nyusis Frelimo, wohingegen Renamo ihre Anhänger vor allem im Zentrum und im Norden rekrutiert. Während die Hauptstadt christlich geprägt ist, lebt der Großteil der Muslime in den nördlichen Provinzen. Und viele aus den armen ländlichen Regionen dort suchen ihr Glück in der Wirtschaftsmetropole Maputo. An diesem Punkt verschränkt sich die Politik mit dem Verhältnis der Religionen und der Frage nach Zukunftschancen für die Jugend – die Themen des Treffens in Maxaquene.
Der 82-jährige Papst warnt vor zwei Haltungen, “die Träume und Hoffnungen töten: Resignation und Angst”. Er rät zu Geduld, ermuntert dazu, gemeinsam zu gehen. Wenn es gelinge, Übereinstimmungen inmitten aller Uneinigkeiten zu finden und einen für alle Beteiligten günstigen Frieden zu schließen, dann sei dies, so Franziskus, “das Wunder der Kultur der Begegnung”.
Diese Sicht teilt der junge Muslim Amade Ibramugy. Er sieht in der interreligiösen Veranstaltung ein Signal, “dass man Differenzen beiseite lassen kann und Frieden unabhängig von der eigenen Religion möglich ist”.
Ibramugy verkörpert zugleich die politischen Spannungen der neuen Generation: Obwohl er mehr Dezentralisierung wünscht, wechselte er selbst als Chemielehrer aus der 600 Kilometer nordöstlich gelegenen Küstenprovinz Vilanculos in die Hauptstadt. Er stammt aus einer Renamo-Region, will aber bei den Wahlen der Regierungspartei Frelimo seine Stimme geben, weil sie nach seinen Worten solider aufgestellt ist und über Regierungserfahrung verfügt. Zugleich sagt er: “Das größte Problem in Mosambik ist die Korruption.”
Der Friedensschluss hat das Misstrauen nicht ausgeräumt. Von “internen Problemen mit der Wahldurchführung” sprach am Rande des Papstempfangs im Präsidentenpalast Renamo-Fraktionschefin Ivone Soares. “Hoffen wir, dass der Papst bei diesem Besuch auf irgendeine Weise mit der Regierung sprechen kann, um sicherzustellen, dass wir in Mosambik freie, gerechte und glaubwürdige Wahlen haben.”
Beim Treffen mit den Jugendlichen ließ Franziskus an einem Punkt seiner Rede die 5.000 Zuhörer das Wort “Versöhnung” mehrfach wiederholen, als wolle er es ihnen eintrichtern. Präsident Nyusi saß daneben. Ob er mitsprach, war von der Tribüne aus nicht zu sehen.