Mahnung aus dem Vatikan

Zum zweiten Mal kommt Post aus dem Vatikan zum Reformweg der Katholiken in Deutschland: Im Juni hatte Papst Franziskus geschrieben. Nun ist die Diktion härter. Die Verantwortlichen wollen den „synodalen Weg“ weitergehen.

(Foto: Pascal Ohlmann/pixabay)

Beim Reformweg der katholischen Kirche in Deutschland treten römische Stellen auf die Bremse. Zum zweiten Mal in gut zwei Monaten haben die Bischöfe hierzu Post aus dem Vatikan bekommen. Unmittelbar vor einem wichtigen Vorbereitungstreffen in Fulda an diesem Wochenende wird angemahnt: Der geplante „synodale Weg“ der deutschen Bischöfe und des Katholiken-Dachverbands ZdK müsse „effektiv und im Einklang mit der Weltkirche beschritten werden“. Damit sind deutliche Signallampen aufgestellt – aber kein Stopp-Schild.

Das an diesem Freitag veröffentlichte Schreiben des Chefs der vatikanischen Bischofsbehörde verweist auf einen Brief von Papst Franziskus und unterstreicht den Anspruch Roms, bei gesamtkirchlichen Fragen das letzte Wort zu haben. Das päpstliche Schreiben von Ende Juni war sehr ausführlich, ebenso freundlich wie vielsagend. In Deutschland rief es unterschiedliche Interpretationen hervor. Das neue Schreiben ist in der Diktion härter und merkt an, wo römische Behörden Nachbesserungen fordern.

Nach dem drastischen Vertrauensverlust als Folge des Missbrauchsskandals ringt die Kirche zwischen Nordsee und Alpen um einen neuen Kurs. Im Frühjahr beschlossen die Bischöfe einen „verbindlichen synodalen Weg“. Gemeinsam mit dem Laien-Dachverband ZdK wollen sie Themen wie Macht, Sexualmoral, Lebensform der Priester und die Rolle von Frauen beraten. Dieses Vorgehen hat bei reformorientierten Kräften vorsichtige Erwartungen geweckt, bei eher konservativen Katholiken jedoch Befürchtungen. Die Kirche scheint in einer Zwickmühle.

Kurienkardinal Marc Ouellet legt in seinem Brief vom 4. September Wert darauf, dass dieser Weg „in Gemeinschaft mit der ganzen Kirche begangen wird“. Untermauert wird der Text mit einer Art kirchenrechtlichen Gutachten des päpstlichen Rats für die Gesetzestexte. Die in Deutschland geplanten Themen, so heißt es darin, beträfen die Weltkirche. Und dann die rhetorische Frage: „Wie kann eine Teilkirche verbindliche Beschlüsse fassen, wenn die behandelten Themen die Weltkirche betreffen?“ Anders als bei einem früheren Gesprächsprozess der Jahre 2011 bis 2015, der die heißesten Eisen ausklammerte und ein eher unverbindlicher Austausch war, sollen diesmal konkrete Ergebnisse auch zu strittigen Fragen herauskommen.

Dass diese Reformdebatte mit dem Etikett „synodaler Weg“ versehen wurde, kritisiert der Theologe Georg Essen im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Das Adjektiv synodal weckt Erwartungen an Verbindlichkeit, die nicht eingelöst werden können“, so der Sprecher katholischer Dogmatiker im deutschen Sprachraum.

Nun blühen die Spekulationen, was Rom erneut zur Feder greifen ließ. Entsprechend seiner Aufgabe nimmt der Botschafter des Papstes in Berlin eine Schlüsselrolle ein. Er übermittelte die Statuten-Entwürfe für den „synodalen Weg“ an die Bischofskongregation in Rom. Erzbischof Nikola Eterovic ist in Sachen Synoden erfahren – von 2004 bis 2013 war er Generalsekretär der Weltbischofs-Synode.

Die Reaktionen der Verantwortlichen in Deutschland kamen noch am Freitag. Die Bischofskonferenz erklärte, das römische Schreiben beziehe sich auf einen inzwischen überholten Entwurf der Satzung für den „synodalen Weg“. Die neueste Fassung enthalte „einige“ kritisierte Passagen nicht mehr. Kardinal Reinhard Marx will in der kommenden Woche in Rom versuchen, „etwaige Missverständnisse“ auszuräumen.

Die Antwort der organisierten katholischen Laien klingt nahezu kämpferisch: „Glaubt irgendjemand, man könne in einer solchen Krise der Kirche das freie Gespräch, das nach Ergebnissen und notwendigen Reformschritten sucht, unterdrücken?“ Thomas Sternberg, Chef des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, stellt die Weichen auf Weiterfahrt des Reformzuges: Am „synodalen Weg“ wolle man entschieden festhalten.

Kirchenrechtliches Know-how gibt es nicht nur im Vatikan. Auch hierzulande wissen die Verantwortlichen, was sie tun. Und was sie nicht ändern können. Den Bischöfen ist ebenso wie dem Katholiken-Komitee klar, dass sie beispielsweise nicht über Priesterinnen zu entscheiden haben. Ein eventueller Wunsch, ein Votum jedoch wäre noch kein Beschluss.

Gleichwohl hat natürlich der sperrige Fachterminus „synodal“ eine Grauzone eröffnet – und bei manchen die Alarmglocken ausgelöst. Aber eine Synode im kirchenrechtlichen Sinn stand zu keiner Zeit zur Debatte. Sternberg sagt es so: „Der Brief bezieht sich auf etwas, was niemand vorhat: eine Synode.“

Bei den Abstimmungen vorgesehen ist allerdings, dass Bischöfe und Laien gleichberechtigt sind. Auch das betrachtet der Päpstliche Rat sehr kritisch. Zwischen Erarbeiten und Entscheiden sei sauber zu unterscheiden. Und erneut als Frage: „Wie kann sich eine Bischofskonferenz von einer Versammlung dominieren lassen, von der die meisten Mitglieder keine Bischöfe sind?“

Die deutschen Bischöfe und Laienvertreter, so ist zu hören, wollen mit den Stellen im Vatikan keinen Streit – und das Gespräch mit ihren Kritikern suchen. Damit das für beide Seiten Entscheidende im Blick bleibt. Sternberg beschreibt es fast im Stil einer Predigt: „glaubwürdig von dem zu sprechen, was und wer unser Leben trägt“.

Von Thomas Winkel (KNA)