
Kardinal Müller, hier bei einem Besuch in Polen im Mai 2017 Foto: © Ryszard Parys / dreamstime
Wirbel um ihre Person sind Kardinal Gerhard Ludwig Müller und Fürstin Gloria von Thurn und Taxis wohl gewohnt, den sie mit umstrittenen Aussagen immer wieder hervorrufen. Am vorigen Wochenende zum Beispiel setzte die Fürstin den Kardinal auf eine Stufe mit US-Präsident Donald Trump, und wollte dies als Kompliment verstanden wissen, als sie sagte: „Die einzigen beiden Menschen auf der Welt, die uns heute Klarheit geben, sind Donald Trump und Gerhard Ludwig Müller.“ Die 59-Jährige äußerte sich in Washington bei einer Buchvorstellung Müllers, wie der Bayerische Rundfunk berichtete. „Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass Gerhard Ludwig Müller der Donald Trump der katholischen Kirche ist.“ Dazu passt womöglich, was Papst Franziskus vor wenigen Wochen über den 71-Jährigen äußerte: „Er ist wie ein Kind.“
Kein Eintritt
In Bochum hat nun bereits die Ankündigung, dass Müller und die schillernde Gräfin reden wollen – und zwar gemeinsam –, für einigen Wirbel gesorgt. Der ebenso umtriebige wie umstrittene Promi-Vermittler Sascha Hellen (41), erst im Sommer wegen Betruges und Untreue zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt, veranstaltet zusammen mit der offenbar neugegründeten Lamalo Consulting UG eine kurze Vortragsreise Müllers durchs Land. Und diese wird ihn am 6. November auch in Hellens Heimatstadt Bochum führen. Als Veranstaltungsort hatte sich Hellen die Kirche St. Elisabeth in Gerthe auserkoren. Kardinal Müller und Fürstin Gloria sollten da, moderiert von der Journalistin Regina Einig, Fragen zur Weltkirche und zu gegenwärtigen Herausforderungen sowie Wege zum Glauben und das Pontifikat von Papst Franziskus erörtern. Nun aber musste die Veranstaltung in die wesentlich kleinere Alte Lohnhalle nach Wattenscheid verlegt werden.
„Quo vadis, Kirche?“ lautet der Titel des Abends auf der eigens initiierten Internetseite kardinal-mueller.de. Mit „Werte, Glauben und die Zukunft der Kirche“ wird die Veranstaltung unterdessen auf ticket-regional.de beworben, wo Eintrittskarten für 15 Euro gebucht werden können. „Gemäß Kirchenvorstandsbeschluß finden in den Kirchen der Pfarrei Liebfrauen keine eintrittsgebundenen Veranstaltungen, außer kirchenmusikalisch, statt“, erklärte Pastor Ulrich Kosch zunächst auf Anfrage. Doch hinter dieser Formalie steckt, dass das Vorhaben Hellens, ein bezahltes Podiumsgespräch zwischen dem Kardinal und der konservativ orientierten Unternehmerin Thurn und Taxis in der Kirche zu veranstalten, auf erheblichen Widerstand in der Gemeinde gestoßen war – auch inhaltlich.
Mahnwache geplant
Bochums Katholikenratsvorsitzender Lothar Gräfingholt brachte sogar ein Mahnwache an der Elisabeth-Kirche ins Gespräch – und setzte das Thema auf die Tagesordnung der Sitzung des höchsten Laiengremiums vergangenen Montag. Im Vorfeld der Sitzung hatten zudem Stadtdechant Michael Kemper und der für Gerthe verantwortliche Kosch das Thema besprochen. Sie kamen überein, den Abend in der Kirche abzusagen, worauf auch der Katholikenrat in seiner Sitzung einen Verzicht auf Proteste erklärte.
Die Veranstaltung mit dem konservativen Kirchenmann in der Kirche durchzuführen, hätte aus Sicht der Gremienverantwortlichen dem Abend einen offiziellen Anstrich verliehen, den er nicht haben könne, weil sie einer rein privatwirtschaftlichen Initiative folge, und zudem ein Bild von der katholischen Kirche in Bochum der Öffentlichkeit vermittele, der nicht zur Bochumer Stadtkirche passe. Dass der ehemalige Bischof von Regensburg derweil am 3. November gemeinsam mit Gemeinde und Pastor Ulrich Kosch das Hochamt in der St. Elisabeth-Kirche halten will, stand zu keinem Zeitpunkt zur Diskussion. So wird Müller hier am Sonntag zu Gast sein.
„Der Kardinal polarisiert, eckt an. Aber: man muss zuhören – und dann sachlich diskutieren. Der starke Gegenwind im Vorfeld überrascht. Zur Vorbereitung auf den Besuch lese ich sein jüngstes Werk „Römische Begegnungen“, erklärte unterdessen Sascha Hellen auf seinem Facebook-Account.
„Völlig überkochenden Diskussion“
„Es ist notwendig, alles zu tun, um eine sinnlose Unruhe in der Pfarrei zu vermeiden“, sagt nun Pfarrer Pater David Ringel zu der Causa und will sich inhaltlich nicht positionieren. Er plädiert in der aus seiner Sicht „völlig überkochenden Diskussion“ über die abgesagten Proteste und die Verlegung der Veranstaltung für Besonnenheit. Lothar Gräfingholt nimmt die Verlegung nach Wattenscheid gelassen. Er sieht den Einfluss des früheren Präfekten der Glaubenskongregation ohnehin „auf einem absteigenden Ast“.
Unterdes scheint der Kurienkardinal, der die aktuelle Reformdiskussion in der katholischen Kirche vehement kritisiert, stets für eine Überraschung gut: Denn am Rande der Amazonassynode wurde bekannt, dass Müller sich in seiner Zeit als Theologieprofessor klar für die Zulassung verheirateter Männer zum Priestertum aussprach. So schrieb Müller 1992: „Im Hinblick auf das Priestertum ist es notwendig, dass es zölibatär lebende Priester gibt. Aber es müsste auch Möglichkeiten geben, in den vielen schwer erreichbaren Gemeinden oder in den städtischen Massenpfarreien religiös ausgewiesenen und theologisch ausgebildeten Familienvätern die Priesterweihe zu spenden, damit sie vor Ort die pastoralen und liturgischen Grunddienste ausüben können.“
Weiter sprach sich er dafür aus, Gemeindeleitungs-Teams aus zölibatären und verheirateten Priestern zu bilden und erklärte: „Eine solche Neukonzeption widerspräche nicht der Tradition der Kirche. Denn die Treue zur Tradition bedeutet nicht, dass die Kirche in jedem Fall nur der vergangenen Geschichte verpflichtet ist, sondern vielmehr noch der zukünftigen Geschichte, für die die Kirche ihre immer identische Sendung zum Heilsdienst auszuüben hat.“ Es bleibt abzuwarten, wie er sich hierzu am Mittwoch verhält.
Boris Spernol/Ulrich Wilmes
Ähnliche Beiträge