Augsburg – Die Corona-Krise wird nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Herfried Münkler als Zäsur in die Geschichte eingehen. Sie werde auch „in die Mentalität der Menschen eingreifen“, sagte Münkler der „Augsburger Allgemeinen“ (Donnerstag). Historisch betrachtet sei es außergewöhnlich, dass eine derartige Pandemie in Friedenszeiten ausbreche. Seuchen wie die Pest oder die Spanische Grippe seien durch Kriegszeiten begünstigt worden.
Tiefgreifende Veränderungen
Stets hätten die Menschen sich mit dem Gedenken getröstet, dass es keine schlimmen Epidemien geben werde, solange sie keine Kriege führten. „Heute ist es gerade unser Wohlleben bzw. unser Wohlstand – Tourismus, Austausch von Waren, eine sorglose Gesellschaft -, die uns diese Krise beschert haben.“
Dies könnte zu tiefgreifenden Veränderungen führen: „Die großen Unternehmen werden sich überlegen, ob sie nicht aufgrund der Verwundbarkeit ihrer globalen Lieferketten umdenken müssen. Andere werden überlegen, wie viel touristischen Austausch über weite Grenzen hinweg wir uns überhaupt leisten können.“
Wunsch nach einem schützenden Staat
Ihn überrasche es nicht, dass derzeit der Wunsch nach einem schützenden Staat vorhanden sei, fügte Münkler hinzu. Sobald sich die Krise abschwäche, „wird der Staat zwangsläufig sehen müssen, dass er sich das Geld zurückholt. Und die Menschen werden schnell wieder eine kritischere Brille aufsetzen.“
Für die Politik sei es indes eine Herausforderung, zwischen dem Rat von Virologen und den Bedürfnissen der Wirtschaft abzuwägen, betonte der Wissenschaftler. „Es ist keineswegs so, wie gelegentlich unterstellt wird, dass wir es mit einer ‚Diktatur der Virologen‘ zu tun haben, also einer Expertokratie.“ Vielmehr werde die Regierung von verschiedenen Fachleuten beraten – und müsse derzeit Entscheidungen treffen, deren Wirksamkeit ungewiss sei.