Italien revidiert Gottesdienstverbot – Papst mahnt zur Vorsicht

Nach Protesten von Kirchen und Religionsgemeinschaften stellt Italiens Regierung eine Änderung des derzeitigen Gottesdienstverbots in Aussicht. „Wir haben den zuständigen Ausschuss gebeten, neue Regeln für religiöse Zeremonien auszuarbeiten“, sagte Ministerpräsident Giuseppe Conte im Interview der Zeitungen „Welt“ und „La Repubblica“ (Dienstag). Italiens Bischofskonferenz kündigte rasche Gespräche über die Eckpunkte an. Unterdessen warnte Papst Franziskus davor, die Erfolge im Kampf gegen das Coronavirus zu verspielen.

Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Kardinal Gualtiero Bassetti sagte der Zeitung „La Nazione“ (Dienstag), man werde mit der Regierung umgehend über eine „deutliche Öffnung“ sprechen. Es gehe um individuelle und kollektive Freiheiten. Wenn Bürger wieder in den Parks joggen dürften, wäre es auch „richtig und legitim, dass sie die Möglichkeit haben, sich an den entsprechenden Orten mit den Werten des Heiligen Geistes auseinanderzusetzen“, so der Erzbischof von Perugia. In einer so schwierigen Zeit sollten Gläubige sich „an ihren Quellen nähren“ können.

Papst mahnt zur Vorsicht

Papst Franziskus mahnte indessen weiter zu Vorsicht und Disziplin. In seiner Messe am Dienstag im Vatikan betete er um „die Gnade von Klugheit und Gehorsam gegenüber den Vorschriften“. Die Pandemie dürfe nicht zurückkehren, wenn die Ausgangssperre aufgehoben werde. Ministerpräsident Conte sagte in dem Interview, er hoffe, mit den neuen Regeln „den Bedürfnissen der Gläubigen entsprechen zu können“. Besonders schmerzlich habe er den Verzicht auf Beerdigungen empfunden. Sie seien „eine letzte Geste der Erinnerung und der Zuneigung gegenüber geliebten Menschen, die uns verlassen“.

Laut Conte soll es ab 4. Mai erste Lockerungen nach dem fast achtwöchigen Corona-Lockdown geben. Sein am Sonntag vorgestellter Zeitplan sah eine schrittweise Wiederaufnahme von gewerblichen, kulturellen und sozialen Aktivitäten vor, jedoch bis auf weiteres keine öffentlichen Gottesdienste. Die Ankündigung hatte teils herbe Kritik von Religionsvertretern ausgelöst. Die katholische Bischofskonferenz sprach von einer nicht hinnehmbaren Einschränkung der Kultfreiheit und einer „willkürlichen“ Maßnahme. Die evangelische Kirche in Italien wandte ein, Seelsorgern und Gläubigen einer stark verstreuten Minderheit müsse erlaubt sein, zu Gottesdiensten zu reisen.

Lage noch alarmierend

Zahlreiche einzelne Bischöfe meldeten sich zu Wort. Bischof Giovanni D’Ercole von Ascoli Piceno nannte das Gebaren der Politik das einer „Diktatur“. Die Auflagen bei Bestattungen zwängen dazu, Verstorbene „wie Hunde“ zu verscharren, sagte er in einem Videobeitrag. Roms Oberrabbiner Riccardo Di Segni appellierte an die Regierung, religiöse Bedürfnisse nicht zu übergehen. Zur Gesundheit des Einzelnen und der Gemeinschaft gehöre „auch die Harmonie von Geist und Körper“, so Di Segni, der auch Arzt ist. Zugleich bekräftigte er die Notwendigkeit medizinischer Regeln. Die Lage sei noch „alarmierend“.

Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconi nannte ein fortdauerndes Verbot religiöser Zeremonien „unvernünftig und geradezu unnötig diskriminierend“. Kultfreiheit gehöre fundamental zu einem liberalen Staat. Der Schutz dieses Rechts müsse Glaubenden und Nichtglaubenden ein Anliegen sein.

Von Burkhard Jürgens (KNA)