Bonn – Außenminister Heiko Maas (SPD) hat vor einer Vereinnahmung der Grundrechte-Demonstrationen gegen die Corona-Beschränkungen durch radikale Extremisten und Antisemiten gewarnt. „Demokraten sollten immer respektvoll miteinander diskutieren und jeden sachlichen Protest ernst nehmen. Die Freiheiten des Grundgesetzes, auf die sich die Demonstranten berufen, finden allerdings ihre Grenze in der Freiheit unserer Mitmenschen“, sagte Maas im Interview der „Welt“ (Donnerstag, online). „Wenn radikale Extremisten und Antisemiten Demonstrationen benutzen, um zu hetzen und zu spalten, dann sollte jeder deutlich mehr als nur 1,5 Meter Abstand halten.“
Niemand solle sich von Rechtsradikalen instrumentalisieren lassen, betonte Maas. „Wer ohne Maske, ohne Mindestabstand und ohne jede Rücksicht auf andere Verschwörungstheorien in die Welt schreit, der verwechselt Mut mit blinder Wut und Freiheit mit blankem Egoismus.“
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte bei den Demonstrationen ein Vorgehen gegen das Tragen von nachgebildeten Judensternen. „Das ist absolut nicht hinnehmbar und sollte gegebenenfalls auch strafrechtlich verfolgt werden“, sagte Klein der „Rheinischen Post“ (Donnerstag). Auf solchen Protesten werde die Schoah relativiert, indem etwa die Maskenpflicht mit dem Tragen des Judensterns im Nationalsozialismus verglichen werde.
„Mit Sorge beobachte ich auch die Zunahme der Verbreitung antisemitischer Verschwörungsmythen im Netz“, erklärte Klein. Vor diesem Hintergrund solle das Maßnahmenpaket gegen Hass und Hetze „rasch umgesetzt werden“. Die aktuelle Weltgesundheitskrise schaffe ein Klima der allgemeinen Verunsicherung, in dem die Anfälligkeit für „irrationale Scheinerklärungen“ steige. Die Gesellschaft sei gefordert, diesen Trend zu stoppen. „Wir alle müssen dazu beitragen, Verschwörungsmythen zu entschlüsseln und öffentlich, etwa in den Sozialen Medien, zu widerlegen.“
Ex-Verfassungsrichter Udo Di Fabio warnte ebenfalls vor der Verbreitung von Verschwörungstheorien. Es gehe ihm weniger um Fragen der Meinungsfreiheit, sondern um das Verantwortungsbewusstsein des Einzelnen, sagte Di Fabio am Donnerstag der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit Blick auf Anti-Corona-Demonstrationen.
Wenn die Bürger als Grundrechtsträger ihre Freiheit wahrnähmen, müsse das in einer vernünftigen Weise geschehen, mahnte Di Fabio. „Und wenn ich weiß, dass Menschen mit Verschwörungstheorien unterwegs sind, das im Extremfall, bei Reichsbürgern beispielsweise, bis zum gewalttätigen Rechtsbruch gehen kann, dann bedeutet verantwortliche Meinungsäußerung, diesen Radikalen keine Nahrung zu geben, wie dies durch bestimmte, fragwürdige Argumentationsmuster geschieht.“
Zugleich betonte der Jurist: „Das Grundgesetz verlangt Gelassenheit im Umgang mit abweichenden Meinungen.“ Abweichend könnten auch Meinungen sein, „deren Tatsachensubstanz ausgesprochen dünn ist“. Nicht geschützt durch das Recht auf Meinungsfreiheit seien ersichtlich unwahre Tatsachenbehauptungen.