Befreiungstheologe prangert Indigenenpolitik Bolsonaros an

Der deutsche Theologe Paulo Suess zeigt sich besorgt über Äußerungen von Ministern der Regierung von Präsident Jair Messias Bolsonaro über die Umweltpolitik und die Rechte indigener Völker.

Präsident Jair Messias Bolsonaro (Foto:© Celso Pupo Rodrigues | Dreamstime.com)

In dem am Freitag von der Justiz veröffentlichten Mitschnitt einer Kabinettssitzung vom 22. April hatte Umweltminister Ricardo Salles angeregt, die Umweltgesetzgebung im Schutz der Covid-19-Pandemie zu schleifen. In dem Mitschnitt sagt der Minister, man müsse ausnutzen, dass die Presse derzeit wegen des Coronavirus abgelenkt sei. „Das ist ganz am Rande der Legalität. Und es betrifft ja auch Indigenenland“, so Suess, der seit den Sechzigerjahren in Brasilien lebt, im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Suess, Berater für den kirchlichen Indigenenmissionsrat (Cimi), verfasst derzeit für die Organisation den Jahresbericht 2019 zur Gewalt gegen indigene Völker und Übergriffe auf ihr Land. Demnach gab es in dem Jahr insgesamt 202 Besetzungen von Indigenenland, angefacht von Bestrebungen der Regierung, die illegale Landbesetzung zu legalisieren.

Suess kommentierte auch Äußerungen von Bildungsminister Abraham Weintraub, der erklärt hatte, er hasse den Begriff „indigene Völker“, der Privilegien für die Ureinwohner rechtfertige. Stattdessen gebe es nur ein brasilianisches Volk, so Weintraub. „Das ist die Ideologie der Militärdiktatur, die die Indigenen in Brasilianer verwandeln wollte“, sagte Suess gegenüber KNA. Die Diktatur (1964-85) habe jedoch damit die Indigenen in den Ethnozid geführt. Weintraub akzeptiere nicht, dass die Rechte der Indigenen auf Land und Kultur in der Verfassung von 1988 verankert wurden.

Suess kritisierte zudem Äußerungen der Ministerin für Menschenrechte, Damares Alves. Sie sprach von absichtlichen Infektionen von Indigenen mit Covid-19, um die Zunahme der Fälle der Regierung anzukreiden. In Wahrheit hätten sich Indigene aus über 60 Ethnien in den Städten der Amazonasregion angesteckt. Dort hätten sie tagelang auf die staatlichen Corona-Hilfen von rund 100 Euro gewartet, so Suess. In den Schlangen vor den Banken sei es zu den Infektionen gekommen.