Bolsonaro gerät ins Visier der Ermittler

Nach dem Sturm des Regierungsviertels in der Hauptstadt Brasilia geht Brasiliens Justiz mit harter Hand gegen die Anhänger von Bolsonaro vor. Auch der umstrittene Ex-Präsident muss juristische Konsequenzen fürchten.
Nach dem Sturm des Regierungsviertels in der Hauptstadt Brasilia geht Brasiliens Justiz mit harter Hand gegen die Anhänger von Bolsonaro vor. Auch der umstrittene Ex-Präsident muss juristische Konsequenzen fürchten.

Jair Messias Bolsonaro –Foto:© Celso Pupo Rodrigues | Dreamstime.com

Auch für Brasiliens Ex-Präsident Jair Messias Bolsonaro könnte es unangenehm werden. Am 8. Januar hatten rund 3.000 Bolsonaro-Anhänger das Regierungsviertel gestürmt und den Präsidentenpalast, das Oberste Gericht und den Kongress verwüstet. Sie wollten Bolsonaros Wahlniederlage gegen den Linken Luiz Inacio Lula da Silva nicht hinnehmen. Nun erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die ersten 39 Verdächtigen. Ihnen wird ein versuchter Umsturz vorgeworfen. Zudem wird gegen die Hintermänner ermittelt.

Insgesamt waren rund 1.500 Personen in Brasilia festgenommen worden. Einige hatten bereits seit längerem vor dem Hauptquartier der Streitkräfte in Brasilia kampiert und ein Eingreifen des Militärs gefordert. Sie wollten, dass der am 30. Oktober gewählte Lula da Silva abgesetzt und der bisherige Präsident Bolsonaro wieder ins Amt kommt. Andere Demonstranten waren zu dem Protest mit Bussen aus ganz Brasilien angereist. Die Behörden untersuchen derzeit, wer die Busse gechartert hat und den Protest finanzierte.

Unter Verdacht der Mithilfe stehen auch Mitglieder der Gendarmerie von Brasilia. So hatten Polizisten den Protestzug bis ans Regierungsviertel herangeführt. Augenzeugen berichten, dass einige Polizisten die Randalierer gewähren ließen, andere gar den Bolsonaristas aktiv bei der Erstürmung halfen. Noch am Abend des 8. Januar war der Chef der Gendarmerie von Brasilia suspendiert worden.

Auch das Wachbataillon des Palastes steht unter Verdacht. Angehörige der Truppe sollen Demonstranten in das Gebäude gelassen und sie dort vor dem Zugriff von Polizeikräften geschützt haben. Videos zeigen Diskussionen zwischen Polizisten und Militärs um die Verhaftung von Tätern. Auch vor dem Heereshauptquartier sollen Soldaten verhindert haben, dass dort kampierende Bolsonaristas verhaftet wurden. Der neue Präsident Lula da Silva hat bereits Konsequenzen für seinen Personenschutz angekündigt.

Seit den Unruhen wird über die politische Verantwortung für die Ausschreitungen diskutiert. Der Gouverneur von Brasilia, Ibaneis Rocha, wurde vom Obersten Gericht für 90 Tage suspendiert. Er trage die Verantwortung für die chaotische Lage. Zudem befürchtet man, dass Rocha die Ermittlungen behindern könnte.

Bereits am Samstag hat die Polizei Bolsonaros ehemaligen Justizminister Anderson Torres am Flughafen von Brasilia festgenommen. Torres, der als Sicherheitschef des Regierungsdistrikts Brasilia für den Schutz der Gebäude verantwortlich war, war einen Tag vor den Ausschreitungen nach Florida geflogen. Nach den Unruhen hat das Oberste Gericht einen Haftbefehl gegen ihn ausgestellt; er kehrte freiwillig zurück nach Brasilien.

Noch in Florida befindet sich Bolsonaro. Zwei Tage vor Ende seiner Amtszeit war er am 30. Dezember nach Orlando geflogen. Damit wollte der Ex-Militär offenbar verhindern, die Amtsgeschäfte offiziell an seinen Erzfeind Lula übergeben zu müssen. Einige sahen die regelrechte Flucht jedoch als Hinweis darauf, dass Bolsonaro Aktionen seiner Anhänger erwartete. So sollen seine Anwälte zu der Ausreise geraten haben, um ihn nicht in Verbindung mit den Unruhen zu bringen.

Allerdings hat Bolsonaro während der Ausschreitungen in Brasilia ein Video auf sozialen Netzwerken gepostet, in dem angebliche Beweise für Lulas Wahlmanipulationen angeführt wurden. Das Oberste Gericht hat deswegen Ermittlungen gegen den Rechtspopulisten eingeleitet. Es soll geklärt werden, ob Bolsonaro damit die Randalierer aufgewiegelt habe. Zudem könnte den Ex-Präsidenten ein im Haus von Ex-Justizminister Torres gefundenes Dokument belasten. Es handelt sich um den Entwurf eines Dekrets, um Lulas Wahl für nichtig zu erklären und gegen das Oberste Wahlgericht vorzugehen.

Noch ist unklar, ob Bolsonaro zurück nach Brasilien kommt. In den USA fordern bereits erste Stimmen, ihn auszuweisen. Ob dies rechtlich geht, ist unklar. Verbündete in Brasilien sind derweil von ihm abgerückt. Seine politische Karriere sei nach den Ausschreitungen erledigt, glauben sie. So droht Bolsonaro unter anderem der Entzug seiner politischen Rechte für acht Jahre, sollte sich der Verdacht bestätigen, dass er den Umsturzversuch mit geplant hat.

Von Thomas Milz (KNA)