Bistum Essen – Angesichts stark gestiegener Austrittszahlen und deutlich mehr Verstorbener als Getauften ist die Zahl der Katholiken auch im Bistum Essen im vergangenen Jahr zurückgegangen – um 15.811 auf knapp 740.000.
Vor allem in der anhaltenden Diskussion über den Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen sieht der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer einen Grund dafür, dass 2019 im Ruhrbistum rund 7.200 Katholiken (nach etwa 5.520 in 2018) aus der Kirche ausgetreten sind. „Es ist bitter zu sehen, dass es uns nicht hinreichend gelingt, die Aufarbeitung der unsäglichen Missbrauchstaten so entschieden und überzeugend voranzutreiben, um verloren gegangenes Vertrauen zurück zu gewinnen“, sagt Pfeffer. Gleichwohl werde der Weg der transparenten Aufklärung und der Präventionsarbeit fortgesetzt, betonte er. „Nur so haben wir überhaupt eine Chance, wieder glaubwürdig zu werden.“
„Christsein muss für die Menschen relevant sein“
Der relative Anteil der Ausgetretenen an der Gesamtzahl der Katholiken war 2019 mit 0,98 Prozent so hoch wie nie zuvor in der Geschichte des Bistums Essen. Absolut wurde der Wert nur durch 7.551 Austritte im Jahr 2014 übertroffen, als der Skandal um den damaligen Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst viele Menschen bewegte.
Aktuell sieht Pfeffer jedoch nicht nur im Missbrauchsskandal einen wichtigen Grund für Kirchenaustritte: „Das, was wir den Menschen von unserem Glauben erzählen und vorleben, muss mit dem konkreten Leben der Leute zu tun haben“, erklärt Pfeffer. „Christsein muss für die Menschen relevant sein“. Gerade in den zurückliegenden Wochen der Corona-Krise hätte manche Gemeinde „sehr wach auf die Sorgen und Nöte der Menschen in ihrer Nachbarschaft geschaut und mit tollen Aktionen reagiert, sei es mit attraktiven Online-Gottesdiensten, einem offenen Ohr am Telefon oder tatkräftiger Hilfe beim Einkaufen“, hebt Pfeffer hervor.
Dialog mit jungen Menschen suchen
Pfeffer sieht mit großer Sorge, dass vor allem junge Erwachsene aus der Kirche austreten: „Wir müssen den Dialog mit jungen Menschen suchen – und ihnen zuhören, damit wir verstehen, was bei uns anders werden sollte.“
Seit der Gründung des Ruhrbistums vor mehr als 60 Jahren hat sich die Mitgliederzahl um die Hälfte reduziert. „Wir rücken zusammen“, beschreibt Pfeffer deshalb das Gefühl im Ruhrbistum. Dies biete aber auch Chancen auf lebendigere Gemeinschaften, „weil sich Katholiken heute aktiv und aus innerster Überzeugung für ihren Glauben entscheiden und niemand mehr ,automatisch‘ katholisch“ sei.
Mitgliederschwund verstärkt finanzielle Situation
Gleichwohl verstärkt der Mitgliederschwund die schwierige finanzielle Situation des kaum mit Rücklagen gesegneten Ruhrbistums. Neben den Austritten vieler erwerbstätiger – und damit Kirchensteuer zahlender – Katholiken und dem beginnenden Ruhestand der „Babyboomer“-Generation stellt sich das Bistum angesichts der coronabedingten Wirtschaftskrise aktuell auf weitere finanzielle Schwierigkeiten ein. Pfeffer erwartet: „Unser ständiges Ringen um die Frage, welche Aufgaben und Projekte für uns als Kirche wirklich wichtig sind, wird in den kommenden Jahren nicht weniger werden.“
Trotz sinkender Mitgliederzahlen ist die katholische Kirche an Rhein, Ruhr und Lenne nach wie vor eine relevante Größe: In den Städten des Ruhrgebiets ist jeweils ein gutes Viertel bis ein Drittel der Menschen katholisch, in Bottrop sind es sogar gut 40 und in der traditionellen Diaspora-Region des Märkischen Sauerlands gut 20 Prozent. An einem durchschnittlichen Wochenende besuchen gut 57.600 Katholiken (7,8 Prozent der Kirchenmitglieder) einen der 472 Gottesdienste. Der Rückgang um rund 1.000 Messbesucher binnen Jahresfrist entspricht in etwa der gesunkenen Zahl der Kirchenmitglieder. Zudem wurden im Schnitt pro Wochenende 17 Gottesdienste weniger gefeiert als im Vorjahr.
„Niemand ist mehr ,automatisch‘ katholisch“
Die Zahl der Taufen ist 2019 konstant geblieben. Bei Erstkommunion- und Firm-Feiern registrierten die 42 Pfarreien im Ruhrbistum einen leichten Rückgang auf 4.625 Kommunionkinder (-42) und 2.518 Firmanden (-75). Deutlich stärker fiel – nach mehreren Anstiegen in den vergangenen Jahren – der Rückgang bei den Trauungen aus: Mit 986 Paaren traten rund 200 Paare weniger vor den Traualtar als im Vorjahr. Bei den katholischen Bestattungen setzt sich der Negativtrend der vergangenen Jahre fort: Nach 8.776 Bestattungen im Vorjahr gab es im Ruhrbistum im vergangenen Jahr nur 8140. Ein Wert, der vor allem eine Veränderung in der Trauerkultur in den Kirchengemeinden beschreibt. Für die Mitgliederstatistik des Bistums relevanter ist die Schätzung, dass im vergangenen Jahr bistumsweit rund 12.100 Katholiken verstorben sind.