Christusfigur im Computertomographen

Ein über 700 Jahre alter „Patient“ wurde am Mittwoch (16.9.) in das Herz-Jesu-Krankenhaus in Münster eingeliefert. Die spätmittelalterliche Christusfigur stammt aus der St.-Marien-Kirche in Datteln-Ahsen (Kreis Recklinghausen). Auf Bitten des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) wurde sie im Institut für Radiologie und Neuroradiologie computertomographisch untersucht. „Fest steht schon jetzt, dass die geheimnisvolle Aushöhlung auf der Rückseite nicht leer ist“, verrät LWL-Denkmalpflegerin Stephanie Keinert, „um genau sagen zu können, worum es sich bei den darin enthaltenen Gegenständen handelt, müssen wir die Bilder jedoch erst weiter auswerten.“

Die Christusfigur aus der Kirche St. Marien in Datteln-Ahsen kurz vor der Untersuchung im Angiographie-Gerät. Foto: LWL

Die Christusfigur aus der Kirche St. Marien in Datteln-Ahsen kurz vor der Untersuchung im Angiographie-Gerät.
(Foto: LWL)

Grund für die ungewöhnliche Untersuchung ist die anstehende Restaurierung der Christus-Figur. „Für diese Arbeit und zu wissenschaftlichen Forschungszwecken ist wichtig zu wissen, wie die einzelnen Körperteile an der Figur befestigt sind und an welchen Stellen es hölzerne Ergänzungen gibt“, erklärt Keinert, „zudem wussten wir bislang nichts über den Inhalt der Aushöhlung auf der Rückseite, die durch ein ovales Zinnblech verschlossen ist. Einfach öffnen können wir sie nicht, denn dann würden wir Schäden an der Figur verursachen.“

Bilder bringen Restaurierung und weitere Erforschung voran

Auch für das Herz-Jesu-Krankenhaus war die mittelalterliche Jesus-Figur im Untersuchungszimmer absolutes Neuland: „Einen solchen Patienten hatten wir bisher noch nicht im CT. Holz und Metall lassen sich mit herkömmlichen Röntgenaufnahmen nur wenig genau untersuchen. Im Unterschied zum Röntgengerät liefert die Computertomographie jedoch hochaufgelöste, überlagerungsfreie Schnittbilder, mit denen sich auch sehr feine Strukturen dreidimensional darstellen und analysieren lassen“, sagte Chefarzt Priv.-Doz. Dr. Thomas Allkemper

„Durch die Untersuchung im Herz-Jesu-Krankenhaus haben wir sehr gute Bilder bekommen, die die Restaurierung und weitere Erforschung dieser besonderen Figur voranbringen werden“, freut sich Stephanie Keinert gemeinsam mit Dr. Reinhard Karrenbrock, wissenschaftlicher Referent beim Bistum Münster. Eine genaue Interpretation der Aufnahmen erfolgt in den nächsten Wochen, doch schon jetzt können die Fachleute erste Annahmen machen: „Wichtige Erkenntnisse zur Werktechnik zeichnen sich bereits jetzt ab. Gut zu erkennen ist, dass die Arme durch handgeschmiedete Eisennägel mit dem Rumpf verbunden sind. Der außergewöhnliche Knoten des Lendentuchs ist dagegen aus einem Stück mit dem Rumpf gearbeitet“, so die Experten.

Eine besondere Skulptur

Nur diagonal passte der ca. 75 Zentimeter breite Christus in den eigentlich für Menschen gemachten Tomographen. Nachdem Restauratorin Beate Zumkley ihn behutsam auf der Liege platziert hatte, übernahm Allkemper. Durch ein Fenster verfolgten die Beteiligten, wie die Figur langsam durch den Computertomographen fuhr. Aus den Röntgendaten berechnete ein Computer anschließend die Schnittbilder. Nach dem CT wurde die Figur zusätzlich in einem Angiographie-Gerät untersucht, das normalerweise zum Einsatz kommt, um Blutgefäße sichtbar zu machen. Derzeit wird die Skulptur in der Werkstatt der Restauratorin Beate Zumkley restauriert. Die Abteilung Kunst und Kultur des Bistums Münster und die LWL-Denkmalpflege begleiten die Arbeiten. Im Rahmen des NRW-Denkmalschutzgesetzes analysieren die LWL-Restauratoren Substanz und Erhaltungszustand denkmalgeschützter Objekte, unterstützen Eigentümer bei der Konzeption und Vergabe von Restaurierungsleistungen und sichern die Qualität laufender Arbeiten.

Die Provenienz der Skulptur „Christus am Kreuz“ lässt sich nicht eindeutig bestimmen. Unklar ist, ob sie ursprünglich aus einem Vorgängerbau der heutigen St.-Marien-Kirche in Datteln-Ahsen stammt oder aufgrund ihrer herausragenden Qualität vielleicht zunächst sogar in einer größeren Kirche im Umkreis präsentiert wurde. „Sie gehört zu einer sehr besonderen Gruppe von kleinen Kruzifixen aus der Zeit um 1300, von denen bislang in Westfalen nur acht Werke bekannt sind“, so Keinert. Feinteilig gearbeitet verdeutliche der Korpus eindringlich das Leiden Christi. Noch präsentiert sich die Figur mit einer eher minderwertigen Sichtfassung aus dem 20. Jahrhundert. Jetzt soll diese Farbigkeit im Zuge der Restaurierung entfernt werden, so dass eine deutlich ältere, aber in großen Teilen erhaltene und viel detaillierter ausgestaltete farbige Gestaltung sichtbar wird. Ursprünglich war die Figur vermutlich auf einem Astkreuz angebracht, das mittlerweile verloren gegangen ist. Nach der Restaurierung soll sie ihren neuen Platz auf einem schlichten Holzkreuz rechts vom Altar der St.-Marien-Kirche finden.